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Bei einem Arztbesuch möchten wir mit unseren Beschwerden ernst genommen werden. Alinas Symptome wurden hingegen oft abgetan. Die Folge: Sie hat Angst, zum Arzt zu gehen. Ärztin Carina hilft, die medizinische Seite zu verstehen.

Alina hat in ihrem Leben viel Zeit in Warte- und Sprechzimmern verbracht. Sie bezeichnet sich selbst als neurodivergent und mehrfach behindert. Auch wenn sie viele Symptome hat, vom Bandscheibenvorfall bis hin zu Schmerzen und Arthrose: Die Ursache dafür wurde noch nicht gefunden. Für Alina ist das belastend.

"Es ist anstrengend, immer wieder zu Fachärzt*innen zu gehen, weil sie davon ausgehen, dass du nichts hast, solange nichts gefunden wurde. Aber eigentlich heißt das nur, dass du nicht so gut ins Lehrbuch passt."
Alina Buschmann, Beraterin und Aktivistin für Inklusion und Antidiskriminierung

Was klar ist: Alina hat eine diagnostizierte Autoimmunerkrankung und war viermal zu verschiedenen Zeitpunkten im Krankenhaus, um Multiple Sklerose auszuschließen. Immer wieder wurde ihr von Ärzt*innen gesagt, sie solle einen Gang herunterschalten, zu Hause bleiben. "Solange bis du in irgendetwas reinpasst, bist du die Person, die einfach ein bisschen weniger Stress braucht", sagt sie.

Zu Beginn ihrer Beschwerden dachte Alina, sie müsse sich vor Ärzt*innen anders benehmen und mehr lächeln. Doch dann dachten die, sie könne ja nicht krank sein, ihr gehe es ja offensichtlich gut. "Ich habe Angst vor Ärzt*innen, insofern, dass da eine Grundanspannung da ist, nicht ernst genommen zu werden", erzählt sie.

Neues Arzt-Patienten-Verhältnis

Was Alina hier beschreibt, zeigt ziemlich deutlich, wie sich das Arzt-Patient*innen-Verhältnis in den vergangenen Jahren verändert hat. Patient*innen, die sich selbst informieren und nicht locker lassen und Ärzt*innen, deren Status als allwissende "Halbgötter in Weiß" immer mehr schwindet.

"Der Patient ist immer derjenige, der am besten Bescheid weiß über seine Gesundheit und Krankheit. Das gilt es natürlich in den Vordergrund zu stellen."
Henriette Löffler-Statska, Psychiaterin und Psychologin

Die Psychiaterin Henriette Löffler-Stastka forscht an der Universität Wien dazu, warum wir uns bei Arztbesuchen manchmal nicht ernst genommen fühlen. "Unsicherheit und Unkontrollierbarkeit muss von Anfang an seitens des Arztes, seitens der Ärztin thematisiert werden", sagt sie.

In der Medizin kommt es zu Diskriminierung

Nicht jeder Mensch hat die gleichen Chancen auf eine vorurteilsfreie Behandlung. Dass es in der Medizin zu Diskriminierung kommt, ist in der Literatur vielfach beschrieben. Gerade die Gendermedizin, also Medizin, die dezidiert darauf achtet, dass Körper je nach Geschlecht unterschiedlich funktionieren, gewinnt erst in letzter Zeit an Bedeutung. "Wenn Ärzt*innen kein Interesse am Menschen und am Patienten, an der Patientin haben, dann sollten sie entweder in Supervision gehen oder einen anderen Job wählen", so Henriette Löffler-Statska.

Sie fordert: Ärztinnen und Ärzte müssen sich diesbezüglich selbst reflektieren. Denn Vorurteile wird es immer geben. Und erst, wenn die angehenden Mediziner*innen eine Neutralität entwickelt haben, sollten sie in Gespräche oder Behandlungen gehen. Es geht um die grundlegende Einstellung, mit der Ärzt*innen ihren Beruf ausüben.

Hauptproblem: die Zeit pro Patient*in

Und wenn Ärzt*innen wirklich Interesse an Patient*innen haben, dann könnt ihr auch ansprechen, dass ihr euch nicht ernst genommen fühlt. "Ich sage zu Patienten: Fragt nach, wenn ihr nicht versteht, warum ihr das Medikament nimmt", so die österreichische Ärztin Carina Spitzauer. "Ich erkläre es gern auch noch zehnmal."

Carina Spitzauer ist sich sicher: Das Hauptproblem ist die verfügbare Zeit pro Patient*in. Aber so pauschal lässt sich die Frage nach dem Warum nicht beantworten. Wie viel Zeit Carina sich pro Patient*in nehmen kann, hängt von vielen Faktoren ab, darunter: Wie viele Leute warten noch auf sie, was für Aufgaben hat sie an dem Tag? Zeit ist das primäre Problem, aber wenn sich Ärzt*innen die Zeit nehmen, kann es ja auch ganz unterschiedlich sein, wie sie mit ihren Patient*innen umgehen.

Und da mag eine Person mehr Gespür haben als die andere. Es ist schwierig, in wenigen Minuten die gesamte Situation eines Menschen zu verstehen und komplexe medizinische Sachverhalte zu erklären. Deshalb, erzählt Carina, wird schon im Studium versucht, die zukünftigen Ärzt:innen darauf vorzubereiten.

"Wir wurden bei Übungs-Patientengesprächen gefilmt und mussten uns gemeinsam die Videos ansehen. Aber das ist nicht die Realität. "
Carina Spitzauer, Ärztin in Österreich

Dass Patient*innen jederzeit Symptome googlen können, sieht die Ärztin kritisch. Laut Carina Spitzauer verstärkt Google oft Ängste, die manch einer ohnehin schon hat. Und das mache es dann ganz schwierig, die Leute wieder abzuholen. "Wir gehen nicht vom Schlimmsten aus", sagt sie. "Wir schauen uns erst diese und jene Differenzialdiagnosen an. Das ist ganz schwierig, wenn Patient*innen einem das dann nicht glauben."

Aber sie sieht auch gute Seiten daran. Zum Beispiel, dass Patient*innen viel mehr Interesse daran haben, zu verstehen, warum eine bestimmte Therapie gewählt wird. Und das auch mal zu hinterfragen, sei prinzipiell gut.

Verlust an Vertrauen ins Gesundheitssystem

Alina hat Selbsthilfe als einzige Möglichkeit für sich gesehen, weil sie nicht ernst genommen wurde. Sie musste selbst Expertin für ihren eigenen Körper werden. Deshalb ist das nach wie vor ihr wichtigster Punkt, wenn es darum geht, was sie sich von Ärzt*innen wünscht:

"Ich wünsche mir, dass Patient*innen ernst genommen werden. Das bedeutet, dass Ärzt*innen mir glauben, dass das, was ich sage, wahr ist."
Alina Buschmann, Beraterin und Aktivistin für Inklusion und Antidiskriminierung

Bei Alina ist es so weit gekommen, dass sie dem Medizinsystem nicht mehr vertraut. Wenn es ihr schlecht geht, dauert es sehr lange, bis sie interveniert, zum Beispiel in Form von der Notaufnahme.

Carina Spitzauer empfiehlt, schlechte Erfahrungen auch bei anderen Ärzt*innen zu verbalisieren: "Man muss keine Angst haben, jemandem auf den Schlips zu treten, wenn man sagt: Bis jetzt habe ich diese Erfahrungen gemacht mit Ärzt*innen."Sie empfiehlt, ganz ehrlich zu sein und zu sagen, dass man deshalb verzweifelt sei.

Fest steht: Viele Ärzt*innen würden gerne mehr für uns tun, aber auch sie sind in diesem System gefangen. Auch wenn das keine strukturellen Probleme löst, gilt der Rat von Carina: wertschätzend seine Sorgen zu kommunizieren. Schaden kann das zumindest nicht.

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Shownotes
Medizin
Warum fühlen wir uns beim Arzt nicht ernst genommen?
vom 18. November 2024
Gesprächspartnerin: 
Alina, hat oft erlebt, dass sie mit ihren Symptomen bei Ärzt*innen nicht ernstgenommen wird
Gesprächspartnerin: 
Carina Spitzauer, Ärztin in Österreich @carinaspi
Gesprächspartnerin: 
Henriette Löffler-Statska, Psychiaterin und Psychologin, forscht an der Medzinischen Universität Wien zu Kommunikation und Empathie von Ärzt*innen
Autor & Host: 
Przemek Żuk
Redaktion: 
Lara Lorenz, Marcel Bohn, Friederike Seeger
Produktion: 
Julian Kretschel
    Quellen: