Konjunkturschwäche, innen- und außenpolitische Unsicherheit und Krisenherde – einige Konzerne reagieren darauf mit Stellenabbau. Der Fachkräftemangel bleibt dennoch bestehen, weil beispielsweise Industriearbeiter nicht ohne weiteres in die Pflegebranche wechseln.

Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven nennt es das "Tal der Tränen", durch das die deutsche Wirtschaft gerade durch muss. Zusammen mit dem Ampel-Aus, Donald Trumps Wiederwahl zum US-amerikanischen Präsidenten und den Kriegen und Krisenherden, die die Nachrichten beherrschen, sind Konsumenten wie Industrie gleichermaßen verunsichert.

Die Reaktion darauf: Sparsamkeit. Konsument*innen geben weniger Geld aus und einige Konzerne sind dazu übergegangen, Stellen abzubauen.

"Ich möchte das ungern sagen, wenn ich ganz ehrlich bin, aber solange wir in der Wirtschaft durch dieses Tal der Tränen gehen, geht es halt so weiter."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Neue Daten und Prognosen des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) in München und vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zeigen das ganze Ausmaß. Die Zahlen besagen, dass jedes dritte Unternehmen – fast schon jedes zweite Unternehmen – Jobs abbauen will.

ThyssenKrupp will bis zum Jahr 2030 rund 11.000 Stellen abbauen. Die Konzerne Bosch, Miele, Ford und Volkswagen reihen sich in den Trend ein: Überall wurden und werden Jobs zurzeit abgebaut. Dieser Stellenabbau zieht sich durch viele Branchen. Dazu zählen vor allem Autobauer, Maschinenbauer, Stahlhersteller und die Chemieindustrie. Letztere hatte im Vergleich zum Vorjahr deutliche Exporteinbuße.

"Was machen wir Verbraucherinnen und Verbraucher: Wir schmeißen das Geld nicht zum Fenster raus , sondern in der Regel wird in solchen Zeiten eben gespart. Und genau das Gleiche machen Unternehmen auch."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Die Wirtschaft sieht sich mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert: unter anderem durch hohe Energiekosten, bürokratischen Hürden und der starken Konkurrenz aus China. Das gilt laut Nicolas Lieven nicht nur für die Automobilbranche, sondern betrifft viele Wirtschaftszweige.

"Wir haben eine große Verunsicherung: Im Inland wissen wir nicht, wie es weitergeht nach der Ampel. Dann kommt Donald Trump ans Ruder und wir haben Kriege und Krisen in der Welt."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Stellenabbau in der Industrie hilft nicht zwangsläufig gegen Fachkräftemangel

Es sei ein Trugschluss zu glauben, dass der Stellenabbau in manchen Branchen dabei helfen könne, beispielsweise den Fachkräftemangel im Pflegebereich auszugleichen.

"Das große Problem ist immer das, einfach zu rechnen und zu sagen: Hier werden Leute entlassen, dann können wir die Lücke an anderer Stelle auffüllen. Nein, kann man eben nicht."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

In manchen Fällen sei das möglich durch Umschulungen, aber ein früherer Fließbandarbeiter werde nicht einfach anfangen, als Pfleger zu arbeiten, denn dafür wird eine umfangreiche Qualifizierung benötigt.

Deswegen rechnet der Wirtschaftsjournalist im kommenden Jahr mit steigenden Arbeitslosenzahlen. Auch für diejenigen wird es im kommenden Jahr schwieriger, die einen Ausbildungsplatz suchen. Nicolas Lieven rät, dass Berufseinsteiger*innen sich zuvor genau überlegen sollen, welche Berufe im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz noch eine Zukunft haben.

"Deswegen werden wir auch im kommenden Jahr wahrscheinlich eher steigende Arbeitslosenzahlen sehen, weil einige kann man umschulen, aber bei vielen klappt das auch nicht."
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist

Der optimistische Blick ins kommende Jahr 2025

Nicolas Lieven findet aber auch, dass unser Blick ins kommende Jahr möglicherweise zu pessimistisch ist. Er sagt, dass Finanzexperten beispielsweise dann an der Börse Geld investieren, wenn die Lage so schlecht ist, dass sie eigentlich nicht noch schlimmer werden kann. Solche Investitionen könnten die Konjunktur stärken.

Außerdem geht der Wirtschaftsjournalist davon aus, dass eine neue Regierung etwas Schwung in unsere Wirtschaft bringen könnte. Und: Donald Trumps Präsidentschaft könnte sich unter Umständen nicht so schlecht auf die deutsche Wirtschaft auswirken, wie erwartet. Auch Ereignisse, die nicht einkalkuliert werden können – etwa ein plötzliches Kriegsende in einem anderen Land – könnten sich zum Beispiel positiv auf unsere Wirtschaft auswirken,

Shownotes
Deutsche Wirtschaft
Arbeitsmarkt 2025: Stellenabbau trotz Fachkräftemangel?
vom 28. Dezember 2024
Moderation: 
Clara Neubert
Gesprächspartner: 
Nicolas Lieven, Wirtschaftsjournalist