Frust, Niedergeschlagenheit und wenig Optimismus: Die Pandemie ist für unsere mentale Gesundheit oft eine Herausforderung. Werden Traurigkeit und Erschöpfung chronisch, könnte eine Depression dahinterstecken – doch Therapieplätze sind rar und die Wartelisten lang. Spezielle Apps können anfangs helfen, aus der negativen Gedankenspirale herauszukommen.
Depressionen sind oft mit dem Gefühl der Hilflosigkeit verbunden. Deshalb ist eine Begleitung und Unterstützung während der Erkrankung wichtig. Doch Betroffene müssen oft lange auf einen Therapieplatz warten. Darum haben Ärztinnen und Ärzte spezielle Apps entwickelt, die Menschen mit Depressionen unterstützen sollen.
Erklärungen statt Kalendersprüche
Jonas ist 23 Jahre alt und leidet schon lange an Depressionen. Er ist wegen seiner Erkrankung in Psychotherapie. An schlechten Tagen isoliert er sich, kann sich kaum für etwas ausraffen. Die Pandemie habe es schlimmer gemacht - deshalb hat er sich die App Selfapy besorgt.
Die App ist von Ärztinnen und Therapeuten mitentwickelt worden und war die erste, die von ihnen verschrieben werden konnte. Jonas war skeptisch, was auf ihn zukommen würde. Doch die App kommt ohne ermutigende Kalendersprüche aus.
"Videos mit Silvio, dem Psychotherapeuten wechseln sich mit liebevoll animierten Filmchen ab. Jonas lernt im Kurs aktuell, negative Gedanken zu beobachten und zu erkennen – wichtige Fähigkeiten, um mit Depressionen besser umgehen zu können."
In einem dreimonatigen Kurs können Betroffene am Rechner oder ihrem Smartphone viel über ihre Erkrankung lernen. Durch Videos in denen Techniken erklärt werden oder liebevoll animierte Clips, erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Astrid Wulf. Damit das aber etwas bringt, reicht bloßes Durchscrollen nicht aus – deshalb gibt es auch praktische Übungen für die Nutzerinnen und Nutzer.
Schatzkiste für schlechte Tage
Jonas sollte zum Beispiel eine Schatzkiste für seine schlechten Tage packen – mit Dingen, die ihm Kraft geben. Das können Fotos von nahestehenden Personen sein, Erinnerungen, Briefe oder andere positive Dinge. Von alleine wäre er nicht darauf gekommen, sagt der 23-jährige. Doch die Schatzkiste funktioniert für ihn erstaunlich gut.
"Die Inhalte der App basieren auf Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie. Dabei geht es um Fragen wie: Was hilft gegen negative Gedankenspiralen? Wie finde ich aus ihnen raus? Was tut mir gut?"
Selfapy basiert auf Techniken der kognitiven Verhaltenstherapie. Dabei werden vor allem praktische Übungen eingesetzt. Eine Therapie ersetzen kann die App allerdings nicht, sagt Psychologin Nora Blum. Sie hat die digitale Unterstützung mitentwickelt und empfiehlt sie als erste Hilfe und zur Überbrückung bis zum Therapiebeginn.
Signifikante Verbesserung der Depression
Denn die guten Nachrichten: Die App kann Depressionen bereits signifikant verbessern. Das wurde in mehreren unabhängigen Studien getestet, sagt die Psychologin. Eine Untersuchung der Charité mit 400 Probanden etwa konnte zeigen, dass die Symptome der Depressionen nach drei Monaten erheblich reduziert wurden.
"Wir wissen über Deprexis, dass diejenigen mit einem schwereren Ausprägungsgrad der Erkrankung gut davon profitieren. Nur die App zu nutzen ist auf jeden Fall besser als eine komplett unbehandelte schwere Depression."
Neben Selfapy gibt es noch weitere Apps. Besonders bei schweren Depressionen können sich Betroffene zum Beispiel die App Deprexis von ihren Ärztinnen oder Ärzten verschreiben lassen. An der Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Lübeck wird die App begleitend zur Therapie zur Verfügung gestellt. Deprexis reagiert auf die aktuelle Stimmung, und wer will kann sich auch motivierende Tipps und Gedanken per SMS schicken lassen.
Invirto-App bei Angststörungen
Menschen mit Angststörungen empfiehlt Oberärztin Lena Matthiessen wiederum, sich die App Invirto verschreiben zu lassen. Mit Hilfe einer Virtual-Reality Brille können sich die Nutzerinnen und Nutzer angstmachenden Situationen zumindest virtuell aussetzen – begleitet von virtuellen Therapiestunden.
Lasst euch helfen!
Bestimmte Dinge beschäftigen euch im Moment sehr? Ihr habt das Gefühl, in einer ausweglosen Situation zu stecken? Wenn ihr euch im Familien- und Freundeskreis keine Hilfe suchen könnt oder möchtet, findet ihr hier einige anonyme Beratungs- und Seelsorgeangebote:Telefonseelsorge: Unter 0800 – 111 0 111 oder 0800 – 111 0 222 erreicht ihr rund um die Uhr Mitarbeiter, mit denen ihr über eure Sorgen und Ängste sprechen könnt. Auch ein Gespräch via Chat oder E-Mail ist möglich.
Kinder- und Jugendtelefon: Der Verein "Nummer gegen Kummer" kümmert sich vor allem um Kinder und Jugendliche, die in einer schwierigen Situation stecken. Erreichbar montags bis samstags von 14 bis 20 Uhr unter der Rufnummer 116 111.Muslimisches Seelsorge-Telefon: Die Mitarbeiter von MuTeS sind 24 Stunden unter 030 – 44 35 09 821 zu erreichen. Bei MuTeS arbeiten qualifizierte Muslime ehrenamtlich. Ein Teil von ihnen spricht auch türkisch.
Hier findet ihr eine Übersicht von Telefon- und Online-Beratungen in Deutschland: suizidprophylaxe.de.