Der 15. März 2019 - der Tag, an dem ein Attentäter im neuseeländischen Christchurch in zwei Moscheen gezielt 50 Muslime ermordet hat. Eine Woche danach gedenken die Menschen dort der Opfer - und zeigen ungewöhnlich große Solidarität.
Die Gedenkveranstaltung fand gegenüber der Masjid Al Noor Moschee statt, genau der Moschee, in der so viele Menschen erschossen wurden. Tausende Neuseeländer haben sich dort versammelt, um gemeinsam zu beten und der Opfer zu Gedenken. Viele Frauen trugen aus Solidarität ein Kopftuch.
"Wir sind eine Gruppe, wir sind eine Community, auch wenn wir das vorher nicht deutlich genug gezeigt haben."
Es waren sehr unterschiedliche Menschen vor Ort, sagt Alexandra Falk, Korrespondentin in Neuseeland. Eine Gruppe, sagt sie, war sehr speziell. Dabei handelte es sich um Gangmitglieder des Mongrel Mob, einer Straßengang, die in Neuseeland nicht selten für Schlagzeilen wegen gewalttätiger Auseinandersetzungen mit anderen Gangs sorgt. Dass selbst solche Gangs sich solidarisch mit den Muslimen in Neuseeland zeigen und vorschlagen, dort für Sicherheit sorgen zu wollen, damit Muslim*innen in Ruhe beten können, das ist schon sehr ungewöhnlich, meint Alexandra Falk. Mit einem Mitglied der Gruppe hat sie gesprochen: Niemandem sollte so etwas passieren, war die Botschaft - egal, welcher Herkunft, egal, welche Religion.
"We don’t want to see that happen to anybody. Doesn’t matter, who you are, where you’re from, whatever you believe. We don’t want to see that happen to anyone!"
Auch Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern war bei der Gedenkveranstaltung anwesend. Ihre kurze Rede endete mit den Worten "We are one", die fast schon eine Art Mantra der Neuseeländer geworden sind, sagt Alexandra Falk. Im Anschluss gab es zwei Schweigeminuten.
Der Imam, der das Gebet geleitet hatte, bedankte sich bei allen Neuseeländern für die Liebe und das Mitgefühl und betonte, dass die Gemeinschaft jetzt noch viel stärker zusammengewachsen sei.
Kanzlerin mit Kopftuch?
Dass in Deutschland infolge eines Attentats eine derartige Gedenkveranstaltung stattfinden könnte, bezweifelt Alexandra Falk. Natürlich gäbe es auch hier Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Aber was sie in Neuseeland erlebt, hält sie dennoch für sehr außergewöhnlich. Und ob die Kanzlerin - so wie Premierministerin Jacinda Ardern - zu solch einem Anlass ein Kopftuch tragen würde, hält sie für fraglich. Von der Herzlichkeit und Solidarität der Neuseeländer ist Alexandra Falk beeindruckt.
"Das Level an Herzlichkeit, das ist durch alle Schichten gegangen. Das hab ich persönlich noch nie so erlebt."
Auch die schnelle Reaktion seitens der Politik wäre so in Deutschland wahrscheinlich nicht erfolgt: Innerhalb von nur sechs Tagen wurde als Folge des Anschlags ein neues Waffengesetzt aus dem Boden gestampft. Ein Schritt, den die Waffenlobby kritisiert, die Bevölkerung von Neuseeland aber sehr dankbar aufgenommen hat, so die Korrespondentin.
Natürlich gibt es auch in Neuseeland Interessenskonflikte zwischen den Parteien. Aber in diesem Fall waren sich die Parteien schnell einig, dass etwas getan werden muss, und es keine andere Möglichkeit gibt, als das Waffengesetz sofort zu verschärfen.
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