Ökostrom finden viele gut. Aber nicht überall, wo Ökostrom drauf steht, ist auch Ökostrom drin.

Mal angenommen, ihr sucht einen neuen Stromanbieter. Ökostrom soll es sein. Über ein Vergleichsportal oder auf der Website eines Ökostromanbieters findet ihr dort eine Angabe wie: "Erneuerbare Energien nach EEG: 45,5 Prozent."

"Diese Angabe heißt für uns als Endverbraucher in der Regel nichts. Kann Ökostrom sein, muss aber nicht. Die Angabe kann man im Prinzip vergessen."
Konstantin Zurawski, DRadio-Wissen-Reporter

Es ist nämlich möglich, dass ein Stromanbieter 45,5 Prozent nach EEG-Umlage geförderten Ökostrom ausweist, er tatsächlich aber 0 Prozent - also einfach gar keinen Ökostrom - produziert oder einkauft.

Dahinter steckt dieses System:

"EEG" steht für "Erneuerbare-Energien-Gesetz". "Erneuerbare Energien nach EEG" bedeutet also: Das ist Strom, der nach diesem Gesetz gefördert wurde.

Die meisten, die in Deutschland neue Anlagen für Strom aus erneuerbaren Energiequellen bauen und den Strom ins Stromnetz einspeisen, bekommen eine vom Staat garantierte Vergütung. Um die zu bezahlen, muss jeder Stromverbraucher (egal, ob dieser Ökostrom oder Kohlestrom oder Atomstrom bezieht) einen Aufschlag bezahlen, die sogenannte EEG-Umlage. Diese beträgt zurzeit etwa sechs Cent pro verbrauchter Kilowattstunde Strom.

Um dem Stromverbraucher nachzuweisen, dass mit diesen sechs Cent der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland gefördert wurde, ist jeder Stromanbieter verpflichtet, anzugeben, wie hoch der Ökostrom-Anteil (nach EEG) zurzeit ist.

Die 45,5 Prozent Ökostrom sind also nur ein rechnerischer Anteil, der von den Stromkunden bezahlt wurde. Für den einzelnen Stromanbieter heißt das im Extremfall, dass er gar nichts für den Ausbau erneuerbarer Energien unternommen und keine einzige Kilowattstunde Ökostrom produziert.

"Zu 100 Prozent aus norwegischer Wasserkraft" - kann stimmen, muss aber nicht

Mancher Ökostrom wird verkauft mit dem Zusatz: "Der Strom kommt zu 100 Prozent aus norwegischen Wasserkraftanlagen". Warum diese Aussage für den Verbraucher verwirrend ist: Ein deutscher Produzent von Kohlestrom kann über gekaufte Herkunftsnachweise - zum Beispiel solche aus Norwegen, auf denen "Wasserkraft" steht - seinen Kohlestrom in Deutschland als Ökostrom verkaufen.

So funktioniert der Handel mit den Herkunftsnachweisen:

Vereinfacht gesagt wird für jede Megawattstunde eingespeisten Stroms aus erneuerbarer Energie ein sogenannter Herkunftsnachweis ausgestellt, auf dem die Quelle steht: nämlich der Energieträger, etwa "Wasserkraft", die Erzeugungsanlage und das Land.

Dieser Herkunftsnachweis ist ein elektronisches Zertifikat und so etwas ähnliches wie die "Geburtsurkunde" für erneuerbare Energie. Er stellt sicher, dass die Eigenschaft für den Strom (z.B. Wasserkraft) nur einmal verkauft wird, sodass ein Stromunternehmen nicht zweimal denselben Öko-Strom anbieten kann. Das ist der große Nutzen des Herkunftsnachweis-Systems.

Das Problem:

Wenn der Deutsche Kohlestromanbieter den norwegischen Wasserkraft-Herkunftsnachweis gekauft hat, fehlt dem norwegischen Strom das Attribut "Wasserkraft", denn diese Eigenschaft wurde verkauft. Es greift dann ein System, das - stark vereinfacht beschrieben - dafür sorgt, dass aus dem ehemaligen Wasserkraftstrom Kohlestrom wird.

Das wiederum hat zur Folge, dass die norwegische Stromerzeugung zwar zu fast 100 Prozent aus Ökostrom besteht - der verbrauchte Strom aber, der für norwegische Kunden in der Stromrechnung ausgewiesen wird, besteht zu fast zwei Dritteln aus Kohle- und Atomstrom.

Unterm Strich ist es in diesem beschriebenen Szenario fürs Klima also egal, ob wir Kohlestrom oder Wasserkraft-Ökostrom aus Norwegen kaufen, denn in Norwegen kommt der Strom sowieso aus Wasserkraftanlagen und in Deutschland aus dem Kohlekraftwerk.

Es hat praktisch also kein Ankauf von Ökostrom stattgefunden, sondern eher ein Tausch. Deutschland tauscht Kohlestrom gegen Ökostrom ein, Norwegen Ökostrom gegen Kohlestrom und Geld.

Anders formuliert: Wenn wir Strom aus "100 Prozent norwegischer Wasserkraft" kaufen, dann ist dank der Herkunftsnachweise sichergestellt, dass dieser Wasserkraft-Strom auch tatsächlich in den großen europäischen Stromsee eingespeist wurde. Gleichzeitig tragen wir mit unserem Kauf aber auch dazu bei, dass Norwegen jetzt keinen Öko-, sondern Kohlestrom mehr verbraucht.

Was also tun?

Echten Ökostrom zu bekommen, ist nicht schwierig und tatsächlich gut fürs Klima - und unterstützt die Energiewende in Deutschland. Eine große Hilfe sind Label, ähnlich dem "Fairtrade"-Label, die von unabhängigen Instituten oder Vereinen vergeben werden. Die Verbraucherzentrale empfiehlt:

Ökostrom-Anbieter, die eines oder besser mehrere dieser Label tragen bzw. empfohlen werden, produzieren mit hoher Sicherheit nachhaltigen Ökostrom. 
Einige Tipps hat auch das Umweltbundesamt zusammengestellt.

Shownotes
Stromkennzeichnung
Ökostrom ist nicht gleich Ökostrom
vom 24. März 2017
Moderatorin: 
Steffi Orbach
Gesprächspartner: 
Konstantin Zurawski, DRadio Wissen