Die Ergebnisse einer Studie aus Großbritannien sorgen für Aufregung: Corona soll sich angeblich negativ auf den IQ auswirken. Neurowissenschaftler Henning Beck nimmt für uns die Studie auseinander.
SPD-Politiker Karl Lauterbach hat sie zitiert. Auf Twitter wird sie geteilt. Die Ergebnisse der Studie vom Imperial College gehen um die Welt. Demnach schneiden bei einem IQ-Test Menschen, die mit Covid-19 infiziert waren, acht Punkte schlechter ab als die Vergleichsgruppe.
Die Daten stammen aus einem Online-Test, den die BBC veröffentlicht und an dem mehr als 80.000 Menschen teilgenommen hatten. Der Test bestand aus genau neun Fragen. Für Neurowissenschaftler Henning Beck ein ganz klarer Kritikpunkt.
"Der IQ-Test bestand aus neun Fragen, das spricht nicht unbedingt für Komplexität."
Besonders bei psychologischen Tests sei es üblich, ausführlich und genau zu sein. Solche Tests würden normalerweise standardisiert im Labor durchgeführt, erklärt der Wissenschaftler: "Nicht zu Hause, wo sich jeder mal durchklicken kann."
Studien werden immer schneller veröffentlicht
Allerdings, so Henning Beck, sei natürlich klar, dass ein Mensch, der zum Beispiel auf der Intensivstation lag und sogar beatmet wurde, keine intellektuelle Höchstleistung hinlege. Der Punkt, wann die Person infiziert war, wurde bei der Auswertung nicht berücksichtigt. Und man habe nicht untersucht, welchen IQ-Wert die Menschen vorher hatten.
"Trotz allem kann an der Studie etwas dran sein. So wie es aber bis jetzt formuliert ist, muss man skeptisch sein."
Für Henning Beck steht diese Studie und vor allem die Reichweite, die sie erreicht hat für etwas anderes: Wissenschaftliche Erkenntnisse würden zu schnell an die große Glocke gehängt. Mit Corona würde diese ohnehin bestehende Tendenz beschleunigt.
Wunsch nach neuen Erkenntnissen: Corona macht allen Druck
Das Corona-Virus wirft der Wissenschaft noch viele Frage auf. Die Erwartungen nach neuen Erkenntnissen sind aber groß. Daher würden sehr schnell und kurzfristig Studien veröffentlicht, nicht selten, bevor das obligatorische und in der Wissenschaft wichtige Review, also das Gutachterverfahren, abgeschlossen ist. Die Forschung könne damit arbeiten, wenn es aber unkritisch verbreitet würde, sei das ein Problem.
"Wissenschaft ist immer nur die aktuellste Form des Irrtums."
"In der Wissenschaft muss man einen langen Atem haben", fasst Henning Beck zusammen. Ergebnisse müsse man immer wieder nachprüfen, verifizieren. Denn ob wissenschaftliche Ergebnis haltbar seien, zeige sich oft erst nach Monaten oder Jahren. Das gilt für jede Forschung, auch und besonders die um Corona. Auch wenn das denen, die um Aufmerksamkeit heischen, nicht unbedingt passt.
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de