Leid, das wir selbst erleben müssen oder welches anderen widerfährt, kann unserer psychischen Gesundheit nachhaltig schaden. Das muss aber nicht sein, sagt die Psychologin Judith Mangelsdorf in ihrem Vortrag. Sie nennt psychologische Strategien, die dabei helfen, in Krisen psychisch gesund zu bleiben oder danach wieder zu heilen. Und mehr noch: Wir können so sogar gestärkt aus Krisen hervorgehen, verspricht sie.
Es gibt so viele Gründe, die unsere psychische Gesundheit in Gefahr bringen können: Sei es die Zeit im Lockdown während der Pandemie, eine Trennung, ein Todesfall oder finanzielle Nöte. Manche von uns sind geschützter gegen die Folgen solcher Krisen als andere - Resilienz nennt sich dieses Vermögen, schwierige Situationen, ohne nachhaltende Beeinträchtigungen zu überstehen.
"Traumatisierungen können nicht nur primär passieren. Wir können auch durch Bilder, durch Geschichten, durch das, was wir jetzt erleben, sekundär traumatisiert werden."
Nicht nur eigenes Leid kann unsere Psyche negativ beeinflussen, auch das anderer Menschen – etwa die Konfrontation mit Nachrichtenbildern vom russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Die können Grundannahmen auch in uns, die wir nicht direkt betroffen sind, zerstören - Grundannahmen, die unserer Psyche Stabilität geben, wie etwa das Gefühl von Sicherheit, warnt die Psychologin Judith Mangelsdorf. Indirekte Traumatisierung durch diesen Krieg, der eigentlich andernorts stattfindet, sieht sie deshalb derzeit als akute Bedrohung für unsere psychische Gesundheit.
Resilienz ist trainierbar
Die gute Nachricht: Wir können beeinflussen, wie gut wir damit umgehen können, wie resilient wir sind. Judith Mangelsdorf erklärt in ihrem Vortrag, was bei Krisen mit unserer Psyche überhaupt passiert und mit welchen Mitteln wir dafür sorgen können, ohne anhaltende Beeinträchtigungen aus solchen Lebenssituationen herauszukommen.
"Wenn uns die Integration dieser neuen Erfahrung gelingt, dann kann im besten Fall vielleicht sogar posttraumatisches Wachstum entstehen. Das heißt: Wir können reifer werden an dem, was wir erleben."
Essenziell dabei sei etwa, das wir neue, im Zweifel schlimme, Informationen oder Erfahrungen in unsere Psyche integrieren können. Diesen Prozess erklärt die Psychologin im Vortrag und leitet von dort zu Strategien über, die dabei helfen können.
Warnung vor toxischer Positivität
Im Vortrag erklärt Judith Mangelsdorf im Detail verschiedene Coping-, also Bewältigungsstrategien und die wichtige Rolle zum Beispiel von soziale Beziehungen oder Positivität. Gleichzeitig rät sie, Leid auch Raum zu geben, um es überwinden zu können. Sie warnt mit Nachdruck vor erzwungener Positivität à la "Am Ende wird doch alles gut". Solche Ratschläge oder Strategien könnten im schlimmsten Fall sogar kränker machen, so die Psychologin.
"Versuchen Sie keine erzwungene Positivität in eine verzweifelte Situation hineinzubringen – das hilft hier nicht."
Judith Mangelsdorf ist Professorin für Positive Psychologie und Direktorin der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten zählt posttraumatisches Wachstum nach einschneidenden Lebensereignissen. Ihren Vortrag "Vom Glück in der Krise – Positive Psychologie in Zeiten von Krieg und Leid" hat sie am 12. März 2022 im Rahmen des Resilienz-Kongresses 2022 gehalten.