Album aufnehmen, auf Tour gehen und mit Konzerten Geld verdienen... Das war einmal! Viele Künstler*innen zahlen für Album und Tour sogar drauf und müssen eher hoffen, dass ihr Song mal in einer Werbung oder einer Serie läuft.
Die Musikindustrie ist ein kaputtes System – das sagt die erfolgreiche Künstlerin Santigold. Sie hat mit Jay-Z und den Beastie Boys gearbeitet, ihre Songs laufen in Werbungen von Apple und Vodafone. Trotzdem kann sie von ihrer Musik alleine nicht leben, sagt sie. Was für so große Nummern gilt, gilt umso mehr für weniger bekannte Künstler*innen.
Fabian Langer ist Musikproduzent und ehemaliges Mitglied der Band "Neufundland". Die Band löste sich nach ihrer Abschiedstour im März 2023 auf. Ein wichtiger Grund: Der Druck, auf Social Media und nicht mehr allein als Band zu performen, wurde zu groß.
Sich als Musiker*in auf Einnahmen durch die eigenen Songs und Konzerte zu verlassen, sei in Zeiten von Streamingdiensten unmöglich geworden. Die Künstler*innen zahlten in den meisten Fällen sogar drauf.
"Einen Song zu produzieren, kostet etwa zwei- bis dreitausend Euro. Das bedeutet: In ein Album mit zehn Songs müssen Künstler*innen erstmal 20.000 in die Produktion und nochmal das gleiche ins Marketing investieren."
Pro Song müssten sie erst einmal zwischen zwei-und dreitausend Euro investieren. Ein Album mit zehn Songs kostet laut Fabian Langer demnach also in der Produktion schon mindestens 20.000 Euro. Die gleiche Summe müsste sie dann aber auch nochmal ins Marketing stecken.
Pro Stream nur 0,3 Cent
Diese Investition können die Künstler*innen allein über Streamingdienste nicht wieder reinholen. Früher konnte eine Band pro verkaufter CD etwa noch mit einen Euro rechnen, der bei ihnen landet, sagt unser Deutschlandfunk-Nova-Musikreporter Mike Herbstreuth. Bei 40.000 verkauften Platten waren das also rund 40.000 Euro.
Heute sieht das ganz anders aus, erklärt er weiter: Pro Stream landen nach groben Schätzungen nur etwa 0,3 Cent bei den Künstler*innen selbst. Um 40.000 Euro zu verdienen, müssten sie 13 Millionen mal gestreamt werden. Für die allermeisten Pop- und Indiebands und Solokünstler*innen utopisch: Ihre meistgestreamten Songs bewegen sich eher bei zehntausend bis hunderttausend Streams. Kaum ein Song schafft mehr als eine Million Streams.
Spotify: Es profitieren nur Künstler, die bereits erfolgreich sind
Trotzdem können Fans ihre Lieblingskünstler*innen mit Streams kaum unterstützen. Das Geld, das Spotify-User*innen monatlich zahlen, landet nicht direkt bei den Künstler*innen, die der oder die jeweilige Nutzer*in tatsächlich hört, sondern in einem Topf: Ein Drittel davon nimmt sich Spotify, der Rest wird prozentual an die Musiker*innen und Labels ausgeschüttet.
Das bedeutet beispielsweise: Wenn 10 Prozent aller Streams in einem Monat Songs von Taylor Swift sind, bekommt sie auch 10 Prozent dieses Topfs. Weniger bekannte Künstler*innen bekommen dadurch so gut wie nichts.
"Gerade Solokünstler kommen nach einer Tour schnell mal eher bei minus 10.000 Euro raus als bei Null."
Viel investieren, wenig ernten – So sieht also offenbar die Realität vieler Musiker*innen aus. Lange Zeit lag das Geld vor allem in den Tourneen und Konzerten. Doch durch die Pandemie ist dieses Geschäft zusammengebrochen – und hat sich noch nicht wirklich erholt, sagt Musikreporter Mike Herbstreuth.
Die Inflation erschwert die Situation, denn für Bands und die Veranstaltenden ist alles teurer geworden. So kann es leicht passieren, dass gerade Solokünstler*innen nach einer Tour mehrere tausend Euro Verlust gemacht haben, so MIke. Schließlich müssen sie beispielsweise neben Schlagzeuger*innen, Gitarrist*innen und anderen Musiker*innen unter Umständen ja auch einen Mietwagen, Sprit und weiteres bezahlen.
Die Industrie boomt – aber nicht für die Künstler
Das Paradoxe: Die deutsche Musikindustrie hat laut Bundesverband Musikindustrie im Jahr 2022 mit Verkäufen von CDs, Vinyl-LPs und Downloads sowie Streaming-Geschäft im Jahr 2022 einen satten Umsatz von etwas mehr als zwei Milliarden Euro erwirtschaftet, erzählt unser Reporter. Und trotzdem können viele Musiker*innen von ihrer Kunst alleine nicht leben. Das Geld kommt eben nicht bei ihnen an. Sie müssen eher darauf hoffen, dass einer ihrer Songs für die Werbung eines Großkonzerns oder einer erfolgreichen Serie lizensiert wird. Das kann ihnen dann immerhin ein paar Monate den Proberaum finanzieren, sagt Mike Herbstreuth.
"Das Geld kommt nicht bei denen an, die dafür verantwortlich sind, dass diese Industrie existiert. Vielleicht gibt es bald neue Regelungen für die Plattformen, wobei das auf EU-Ebene passieren müsste."
Doch bei dieser Einnahmequelle bleibt die Frage, ob Künstler*innen ihre Musik überhaupt Konzernen bereitstellen wollen, damit diese mehr Produkte verkaufen. Als Lösungsansatz wird immer wieder eine bessere Förderkultur von Künstler*innen gefordert. Bisher gehen Fördergelder aber vor allem in klassische und avantgardistische Musik, sagt Mike, Popmusik wurde bislang eher ausgespart.