Seit einem Jahr herrscht Krieg zwischen der Hisbollah und Israel. Die Kämpfe haben zugenommen, Beirut wird Tag und Nacht bombardiert. Das verändert auch das Leben des Musikers Najib. Er lebt davon, dass gefeiert wird. Doch daran ist kaum zu denken.
Najib lebt in einem relativ hippen Stadtteil der libanesischen Hauptstadt, wo es viele Bars und Kaffees gibt. In Beirut arbeitet er für die Friedrich-Ebert-Stiftung. Daneben macht er viel Musik, erzählt er. Früher sei er Rapper gewesen, jetzt komponiere er Musik für Videogames und produziere elektronische Musik, zum Beispiel Drum and Bass.
Leben in Beirut: Nichts fühlt sich mehr normal an
Eigentlich, so Najib, versucht er sehr gesund zu leben: guter Schlaf, viel Sport, selbstgekochtes Essen. Doch seit Israel damit begonnen hat, auch Beirut mit Raketen zu beschießen, schlafe er schlecht, sei gestresst, könne sich nicht auf die Arbeit konzentrieren und seine Emotionen noch nicht mal mehr mit Musik verarbeiten.
"I've not been able to do anything work-related, not even able to do any music. I am trying to force myself to get emotions out through music, but it's not working."
In Beirut laufen die Menschen auf der Straße umher, unterhalten sich in Kaffees, sitzen in Restaurants, sagt Najib. Doch was nach Alltag und Normalität aussieht, fühle sich derzeit überhaupt nicht so an – im Gegenteil: "We feel that we are in a dystopian."
Libanon: Angriffe fast auf das ganze Land
Moritz Behrendt ist ARD-Korrespondent und berichtet auch für Deutschlandfunk Nova aus über 15 Ländern im arabischen Raum, unter anderem dem Libanon. Er war auch dort, als die israelische Armee die südlichen Vororte Beiruts das erste Mal massiv bombardiert haben und dabei den Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah getötet haben.
"Die Angriffe treffen fast das gesamte Land, aber mit unterschiedlicher Intensität. Besonders stark werden die Dörfer und Städte im Süden des Landes angegriffen und die sogenannte Beeka-Ebene im Osten."
Die Angriffe Israels betreffen nahezu das gesamte Land, jedoch mit unterschiedlicher Intensität, so der Korrespondent. Besonders betroffen sind der Süden des Libanons und die Beeka-Ebene im Osten, wo die Hisbollah stark ist. Auch in den südlichen Vororten Beiruts und in anderen Teilen des Landes gab es Bombardierungen.
Welche Ziele der Hisbollah Israel genau ins Visier nimmt, lässt sich unabhängig nur schwer überprüfen, sagt Moritz. Immer wieder gibt es Berichte, dass die israelische Armee eine Flüchtlingsunterkunft getroffen hat. Stellungnahmen dazu bleiben von offizieller Seite aus, so unser Korrespondent.
Mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht
Der Beschuss zwischen Israel und der Hisbollah hat vor über einem Jahr begonnen. Seitdem sind etwa 100.000 Menschen aus dem Süden in Richtung Norden des Landes geflohen. Jetzt, wo sich die Angriffe massiv verstärkt haben, sind über eine Million Menschen auf der Flucht, sagt Moritz – das ist etwa jede*r sechste Libanese oder Libanesin.
Viele Menschen leben in Notunterkünften, oft mit nur begrenztem Zugang zu Matratzen und Duschen. Hilfsorganisationen und private Gruppen versuchen etwa mit Suppenküchen zu unterstützen, doch der Bedarf übersteigt die Hilfe oftmals. Viele Flüchtende, besonders aus dem Osten, sind nach Syrien geflohen, wo sie sich sicherer fühlen, obwohl es selbst Kriegsland ist.
Der libanesische Staat kann den Menschen allein nicht helfen, sagt Moritz. Die Regierung ist nur geschäftsführend im Amt, seit zwei Jahren gibt es keinen Präsidenten. Das Land ist auf externe Hilfe angewiesen – und auf starke Gruppen im Land wie die Hisbollah. Die betreibt neben ihrer Miliz auch ein Netzwerk an Krankenhäusern und Schulen.
Libanesen fürchten, nur ein Spielball zu sein
Im Libanon gibt es viel Kritik an der Hisbollah, insbesondere wegen ihrer innenpolitischen Rolle und der Unterstützung aus dem Iran. Die Menschen werfen ihr vor, den Staat geschwächt zu haben, berichtet Moritz. Doch im aktuellen Kampf gegen Israel an der Südgrenze unterstützen die meisten Libanes*innen die Terrororganisation, die sie als Widerstand gegen Grenzverletzungen sehen, erklärt er weiter.
Die Sorge vieler Libanes*innen ist, so unser Korrespondent, nur Spielball zu sein in den Kämpfen zwischen Israel und dem Iran, der die Hisbollah stark unterstützt. Obwohl die Hisbollah libanesisch ist, operiert sie somit auch im Interesse Irans. Eine komplizierte Situation: "Viele Libanesen haben die Sorge, dass der Iran immer wieder Libanesen vorschickt, um gegen Israel zu kämpfen, und sich selbst doch eher versucht herauszuhalten", sagt Moritz.
"Viele Libanesen haben die Sorge, dass der Iran immer wieder Libanesen vorschickt, um gegen Israel zu kämpfen, und sich selbst doch eher versucht herauszuhalten."
Die Wirtschaftskrise 2019, die große Explosion von 2.750 Tonnen Ammoniumnitrat im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut, Erdbeben und jetzt der Krieg – obwohl der Libanon von einer Krise in die nächste gerät, hat Najib große Ziele, die er in der aktuellen Situation einmal mehr stark in Gefahr sieht. Er will kein kleines Leben führen, sagt er. Er will etwas erreichen! Und er überlegt, wo er das kann. Das könnte auch bedeuten, seine Heimat zu verlassen und sich anderswo einen Job zu suchen.
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