Aktuell leiden mindestens 17 Millionen Menschen in Afghanistan an Hunger. Die Zahl derer, die auf Nahrungsmittelhilfe von außen angewiesen ist, steigt aktuell sprunghaft an. Hinzu kommen die ständigen Bombenanschläge und Angriffe der Taliban. Jörgen Klußmann über ein Land im Dauerkonflikt.
Weil nun auch noch der Winter beginnt und die Katastrophe umso größer werden könnte, schieben die Vereinten Nationen großzügig zehn Milliarden Euro an Hilfsgeldern nach. Allein Deutschland hat auf der jüngsten Geberkonferenz in Genf 430 Millionen Euro locker gemacht. Damit sollen zivile Projekte in dem Land gefördert werden.
Am Ende all dessen steht die Vision eines geeinten und demokratischen Landes.
1973 noch eine Monarchie, dann kommunistische Terrorherrschaft, der Einmarsch der Sowjets 1979 und 2001 die Besetzung durch die Amerikaner – ausgelöst durch die Terrororganisation Al Kaida und Osama bin Laden: Das Land kommt nicht zur Ruhe, sagt Jörgen Klußmann, Studienleiter Politik der Evangelischen Akademie im Rheinland.
"Osama bin Laden fühlte sich als Abkömmling einer reichen saudischen Familie berufen, den heiligen Krieg gegen die Ungläubigen zu führen."
Ursprünglich hatte bin Laden noch als Freund der USA gegolten und nahm die Unterstützung von dort gerne entgegen. Doch dann riefen die Mudschahedin den Dschihad, den heiligen Krieg, gegen alle Ungläubigen aus. Afghanistan wurde so zu einem Sammelbecken vieler Kämpfer auch aus anderen islamischen Ländern. Bis heute ist so mancher Anschlag in Europa auf diese Quelle zurückzuführen. So spüren wir die Lage in dem vermeintlich fernen Land auch auf unserem Kontinent immer wieder neu.
Sicherheitslage in Gefahr
Und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg äußert sich zudem besorgt über den plötzlichen Truppenabzug der US-Soldaten, der noch in den letzten Amtstagen von US-Präsident Donald Trump Mitte Januar 2021 beendet sein soll. Dann – so die Befürchtung – könnte die Sicherheitslage in Afghanistan noch viel brüchiger werden, als sie jetzt schon ist.
Der Referent Jörgen Klußmann ist Studienleiter Politik der Evangelischen Akademie im Rheinland. Zusammen mit der Melanchthon-Akademie Köln hat sie am 3. November 2020 den Online-Vortrag "Afghanistan – ein Land im Dauerkonflikt" veranstaltet.
Jörgen Klußmann hat Afghanistan mehrmals als Journalist besucht, aber auch als Coach für systemische Konflikttransformation im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. In seinem Vortrag schildert er die politischen und zivilen Wirren von der Einführung der Monarchie im Jahr 1933 bis zur heutigen Republik unter Präsident Ashraf Ghani.