Ein Tag, an dem es keinen Anschlag gegeben hat, ist ein guter Tag in Afghanistan. Selbst in der Hauptstadt Kabul, die zum Teil wie eine Festung bewacht ist, gibt es keine Sicherheit. Sandra Petersmann hat mit den Menschen vor Ort gesprochen.

Heute ist ein guter Tag in Kabul: alles ist ruhig. Es scheint zumindest so. Am zweiten Tag ihrer Afghanistanreise ist Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in der Hauptstadt angekommen. Beim Treffen mit Präsident Aschraf Ghani ging es auch um das Thema Sicherheit. Ein Thema das die Menschen in Kabul jeden Tag bewegt, denn echte Ruhe gibt es in einer Realität mit Anschlägen und Kämpfen landesweit nicht.

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Im "Afghanischen Tagebuch" hat die ARD-Korrespondentin Sandra Petersmann in den vergangenen Jahren viele Afghanen begleitet. Zum Beispiel den 17-Jährigen Shafi und seine Familie: Im August wurde bei einem Anschlag mitten in der Stadt ihr Haus zerstört. Nun kämpft die Familie, die am Existenzminimum lebt, es wieder aufbauen zu können. Unterstützung gibt es kaum. Der Anschlag in der Nacht hat auch ihre Angst wachsen lassen. Und ihren Wunsch: Wir müssen unseren Sohn hier aus bringen.

Angst zu bleiben, Angst zu gehen

Legal, sagen sie, wird er keine Chance haben. Sie wollen sich Geld für die Reise leihen, um die Schlepper bezahlen zu können. Reichen wird es wohl nur für die billigste und gleichzeitig gefährlichste Route über den Balkan und das Mittelmeer. Es ist die Unsicherheit, sagt die Journalistin Sandra Petersmann, die den Menschen die Hoffnung raubt. Es bleibt gefährlich. Ruhige Tage sind trügerisch. Auch jetzt gibt es Anschlagswarnungen. Noch schwieriger ist die Situation auf dem Land. Etwa ein Drittel aller afghanischen Distrikte ist umkämpft oder in der Hand der Taliban.

"Das ist der Zwiespalt, in dem sich hier viele Menschen befinden. Dass die Ruhe eine trügerische ist. Wenn du zur falschen Zeit am falschen Ort bist, dann kann es dich eben auch treffen."
Sandra Petersmann, ARD-Korrespondentin

"Man könnte den Schluss ziehen, dass hier alles ganz normal läuft, die Menschen gehen zur Arbeit, in die Uni...", sagt Sandra Petersmann. Die Mischung aus Alltag, Überleben und Unsicherheit aber bleibt. Auch wenn die Journalistin Sandra Petersmann eine Familie zum Abendessen besucht. Die Eltern - sie arbeitet als Lehrerin, er als Fahrer - stecken all ihr Geld in die Bildung ihrer Kinder.

"Ich möchte Arbeitsplätze für Frauen schaffen"

Die älteste Tochter ist 21 und träumt von einem Studium in Istanbul. Im Moment studiert sie in Kabul Wirtschaftswissenschaften. Ihr Ziel ist es, Unternehmerin zu werden, ein eigenes Geschäft zu eröffnen, Arbeitsplätze für Frauen zu schaffen. Wenn sie zur Uni geht, ist sie begeistert. Eigentlich will sie nicht weg: "Aber ich weiß nie, ob ich abends lebend zurückkomme."

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Auch den jungen Schriftsteller Taqi Akhlaqi hat Sandra Petersmann erneut getroffen. Er lebt mit seiner kleinen Familie in Kabul. Einerseits geht es voran: Seine Frau lernt Englisch, versucht einen Job zu finden, er schreibt, hat ein Theaterstück umgesetzt. Andererseits bleibt die drückende Frage: Wäre es nicht doch besser, das Land zu verlassen? Taqi Akhlaqi hofft, dass sich die Sicherheit verbessern wird. Langsam. Er sagt: "Afghanistan ist viel mehr als der Tod." Genau das will auch der Instagram-Account "Everyday Afghanistan" zeigen. Jeden Tag ein Foto. Jeden Tag ein bisschen Alltag.

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Shownotes
Alltag in Afghanistan
"Ich weiß nie, ob ich abends lebend zurückkomme“
vom 08. Dezember 2015
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Sandra Petersmann. ARD-Korrespondentin