Auf Tiktok ist die AfD die stärkste Kraft – im Vergleich zu den anderen großen deutschen Parteien. Damit erreicht die Partei vor allem junge Wähler. Die Inhalte der AfD auf Tiktok haben millionenfache Likes.
Mehr als sechs Millionen Likes, knapp 400.000 Follower*innen - das ist die Bilanz der AfD auf Tiktok. Die Partei ist auf der Videoplattform, auf der besonders junge Menschen unterwegs sind, so präsent und erfolgreich wie keine andere der Parteien in Deutschland.
AfD im Vergleich: Viele Follower, wenige Mitglieder
Zum Vergleich: Die SPD kommt gerade mal auf rund ein Drittel der Likes und Follower*inne der AfD. Die Linke, die FDP, die CDU und die Grünen auf noch weit weniger.
Im analogen Raum ist das Verhältnis umgekehrt: Hier haben beispielsweise SPD und CDU jeweils fast 400.000 Mitglieder und damit ungefähr zehn Mal so viele wie die AfD. Wobei die Partei wächst: Nach ihren eigenen Angaben ist die Mitgliederzahl AfD seit Ende 2022 um rund 37 Prozent gestiegen, sodass sie aktuell auf über 40.000 Mitglieder komme.
Die Community im Blick
Nadine Lindner, unsere Korrespondentin in Berlin, hält für die große Reichweite der AfD auf Tiktok besonders drei Punkte für entscheidend:
1. Die AfD reagiert schnell auf neue Entwicklungen: Gibt es zum Beispiel eine neue Social-Media-Plattform, dauert es in der Regel nicht lange, bis die Partei die Plattform mit ihren Inhalten bespielt und sie für ihre politische Kommunikation nutzt. Das gilt für Plattformen genauso wie für neue Technologien. Es gibt Mitglieder der Partei, die beispielsweise schon früh KI-generierte Bilder auf ihren Social-Media-Accounts gepostet haben, die ihren Botschaften dienen. Die Bilder haben sie teilweise allerdings nicht als KI-generiert kenntlich gemacht.
2. Die AfD ist in den Social Media gut vernetzt: Die Partei hat eine standfeste Community aus Influencer*innen, die positive Inhalte über sie posten, und Accounts, die die Beiträge der Partei teilen. Beides macht die AfD bekannter – auf Tiktok und auf anderen Social-Media-Plattformen.
"Die AfD hat sich auf TikTok und auf anderen Social-Media-Plattform ein relativ dichtes Netz um sich herum geflochten."
3. Datenschutzbedenken spielen für die AfD offenbar kaum eine Rolle: Im Vergleich zur AfD sind andere Parteien deutlich zurückhaltender, wenn es um einen Account bei Tiktok geht, weil sie Datenschutzbedenken haben. Die Grünen posten beispielsweise keine Inhalte auf der Plattform als Partei. Es gibt nur einzelne Landesverbände oder Abgeordnete, die dort aktiv sind.
Bei der AfD sind es vor allem einzelne Mitglieder, die besonders viele Menschen auf Tiktok anziehen, erklärt Nadine weiter. Neben Parteichefin Alice Weidel ist das Ulrich Siegmund, der Fraktionsvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt.
Personen-Accounts als Tiktok-Strategie
Er ist zuletzt durch die Recherche Correctiv-Netzwerks bekannt geworden. Danach soll er wohl an dem sogenannten AfD-Geheimtreffen teilgenommen haben, das im November 2023 in Potsdam stattgefunden hat.
Ulrich Siegmund folgen auf Tiktok mehr als 376.000 Accounts. Sein Profil dort hat viereinhalb Millionen Likes. Das Interessante bei ihm ist, dass er seinen Account erst mal als versteckten Account aufgebaut hat, erklärt unsere Korrespondentin.
Das bedeutet: Er hat sich auf der Videoplattform erst mal nicht als Parteimitglied und Landtagsabgeordneter der AfD erkennbar gezeigt. Das hat sich erst 2022 geändert. Damals hatte das Funk-Format "Die Da Oben" eine Recherche über ihn und andere AfD-Politiker*innen veröffentlicht. Zu dem Zeitpunkt soll Ulrich Siegmund schon mehr als 220.000 ihm folgende Accounts und mehr als zwei Millionen Likes gehabt haben.
"Ich glaube, er ist einer der großen Profiteure dieses Potsdamer Treffens, der diesen Skandal auch für sich nutzen kann."
Eigene Agenda in eigenen Kanälen
Auf der Videoplattform präsentiert er sich als nahbar, indem er seine Community in seinen Arbeitsalltag mitnimmt und sich im Landtag filmt oder bei öffentlichen Terminen. Er spricht seine Follower*innen auf Tiktok direkt an und interagiert mit ihnen. Sein Narrativ ist oft von einem Freund-Feind-Schema geprägt, berichtet Nadine. Zum Feinbild werden "die anderen" erklärt: die Ampelregierung etwa oder auch verschiedene Medienhäuser.
Mit genau dieser Skepsis gegenüber etablierten Medien holt die AfD wiederum viele ihrer Anhänger*innen ab. Statt in bekannten Talkshows aufzutreten, setzt die Partei ihre Inhalte selbst und veröffentlicht sie ungefiltert in den Social Media. Weil sie zusätzlich stark auf emotionale Inhalte abzielt, profitiert die Partei vom Algorithmus, wodurch User*innen die Inhalten öfter angezeigt werden.