Verena Hartmann ist die Nummer fünf, die die AfD-Bundestagsfraktion verlässt. Der Grund: "Der Flügel" dränge gemäßigte AfD-Politiker aus der Fraktion. Explizite Höcke-Kritiker haben beim Bundesparteitag im Dezember 2019 Posten verloren. Das sind deutliche Signale in die Partei.
Am 27. Januar hat Verena Hartmann, Mitte 40, AfD-Abgeordnete, ehemalige Polizistin, nur bekannt gegeben, dass sie die Partei und Fraktion verlassen wird. Erst am nächsten Tag hat sie die Gründe geliefert, sagt Nadine Lindner aus dem Dlf-Hauptstadtstudio. Auf ihrer Facebook-Seite begründet Verena Hartmann ausführlich, wie die Partei Alternative für Deutschland (AfD) immer weiter nach rechts gerückt ist.
Gemäßigte AfD-Politiker chancenlos
Kritiker von Björn Höcke und dessen "Flügel" (rechtsextreme Gruppe innerhalb der AfD), würden aus der Partei gedrängt werden, schreibt Verena Hartmann. Sie hätten nur die Wahl, die Partei zu verlassen oder sich unterzuordnen unter dem Flügel, zitiert Nadine Lindner weiter aus dem Post. Dieser Konflikt zwischen gemäßigten AfD-Politikerinnen und dem "Flügel" betreffe die Partei wie die Bundestagsfraktion, die von Grabenkämpfen überzogen und lahmgelegt werde, heißt es weiter.
"Verena Hartmann hat ziemlich ausgeteilt."
Nadine Lindner glaubt, dass an den Aussagen viel Wahres ist, aber es hätten sich andere Stimmen zu Wort gemeldet, die ihre Aussagen relativieren. AfD-Fraktionskollegen sehen in den Äußerungen von Verena Hartmann den Versuch, sich reinzuwaschen, weil sie wüßte, dass sie keine Chance mehr habe, über die AfD-Liste bei der nächsten Wahl 2021 in den Bundestag einzuziehen.
Auch wenn Nadine Lindner die Begründung von Verena Hartmann etwas relativiert, reiht sie sich ein in die Liste der Austritte. Zum Beispiel: Lars Hermann, Sachse und Bundespolizist. Er begründete seinen Austritt damit, dass es möglicherweise zu einer Verfassungsschutzbeobachtung der AfD komme, wenn "Der Flügel" stärker werde. Das könne für ihn selbst gefährlich werden.
"Als Gemäßigter hat man kaum noch eine Chance, einen Fuß auf den Boden zu kriegen."
Das zeigt sich auch an einer Entwicklung seit dem Bundesparteitag der AfD in Braunschweig Anfang Dezember 2019, sagt Nadine Lindner. Höcke-Kritiker wie Georg Pazderski oder Kay Gottschalk sind damals nicht mehr in den Bundesvorstand gewählt worden, obwohl sie vorher Vize-Vorsitzende der Partei waren. Björn Höcke gilt als rechtsextremer AfD-Politiker und ist AfD-Fraktionschef im Thüringer Landtag.
"Explizite Höcke-Kritiker wie beispielsweise Georg Pazderski oder Kay Gottschalk wurden eben nicht mehr in den Bundesvorstand gewählt. Das sind Signale, die in der Partei deutlich gesehen werden."
Dieser interner Konflikt hat sich bislang noch nicht auf die AfD-Wähler ausgewirkt. Zumindest sind die Umfragewerte für die Partei stabil, sagt Nadine Lindner. Je nach Umfrageinstitut landet die AfD bei 13 bis 15 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 hat sie 12,6 Prozent erreicht.
Wählerzustimmung stabil
Auch die Parteispendenaffäre rund um Alice Weidel und Jörg Meuthen hat bislang keinen Einfluss auf die Umfragewerte der AfD. Selbst als der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr von Verdachtsfällen beim "Flügel" gesprochen hat, hat das keine Wirkung auf die AfD-Wählerschaft gezeigt.
"Es ist die Art der Ansprache und der Themen, die die AfD bespielt, die die Wähler sehen wollen."
Die Partei und die Bundestagsfraktion bedienen typische AfD-Themen wie Migration, Nationalismus oder Klima extrem intensiv auf ihren Social-Media-Kanälen.
Austritte: peinlich, aber ohne große Konsequenzen
Die bisherigen fünf Austritte haben keine große Auswirkung auf die Fraktion, sagt Nadine Lindner. Die Redezeit reduziert sich bei 90-minütigen Debatten von 12 auf 11 Minuten.
"Die Parteiaustritte sind peinlich, weil die AfD die einzige Fraktion ist, die so viele Leute verloren hat."
Nadine Lindner glaubt aber nicht, dass außerhalb des Bundestags diese geringere Redezeit irgendwelche Reaktionen auslöst. Die Partei ist so umfassend auf Social Media präsent, dass das nicht auffallen wird. Die AfD-Videos erreichen auf Youtube fünfstellige Zuschauerzahlen, sagt Nadine Lindner.
"Die AfD legt es wirklich darauf an, ihre Inhalte via Social Media zu transportieren. Sie hat sich auf Youtube ein totales Imperium mittlerweile aufgebaut, wo sie Stunde um Stunde jede Woche Material produziert."