Zwei Drittel der Äthiopier verfügen nicht über Strom und viele Firmen nutzen Diesel-Generatoren. Mit einem neuen Staudamm entsteht dort jetzt die größte Talsperre Afrikas. Die benachbarten Länder sorgen sich aufgrund des Baus um ihre Wasserversorgung. Das führt zu Uneinigkeit.
Im August haben die Bewohner Addis Abebas groß gefeiert, den es besteht die Aussicht, dass sie ihr Brot bald nicht mehr nur mit Holzkohle zubereiten müssen, sondern mit Strom. Die Fertigstellung des Grand-Ethiopian-Renaissance-Dam im Jahr 2022 verspricht schon im Namen eine Wiedergeburt Äthiopiens. Denn nicht nur der größte Teil der äthiopischen Bevölkerung musste bisher ohne Strom auskommen, auch viele Firmen haben Probleme mit der Stromversorgung.
Größte Talsperre und größtes Wasserkraftwerk Afrikas
Durch den Bau des Staudamms entsteht eine Talsperre, die 74 Milliarden Kubikmeter Wasser fassen kann. Das angeschlossene Wasserkraftwerk kann damit 6000 Megawatt Strom im Jahr produzieren. Sowohl die Talsperre als auch das Kraftwerk sind damit die größten auf dem afrikanischen Kontinent. Das Wasser für die Talsperre wird aus einem der beiden Hauptstränge des Nils, dem Blauen Nil, abgezweigt.
"Wir sind hierher gekommen, um zu feiern, dass unser Staudamm jetzt gefüllt wird. Bis jetzt mussten wir unser Brot mit Holzkohle backen. Aber wenn der Damm fertig ist, werden wir Strom haben."
Das Kraftwerk wird so viel Strom produzieren, dass auch etwas für den Export übrig bleibt. Davon können dann insbesondere der Sudan, Kenia und Dschibuti profitieren. Obwohl der gewonnene Strom auch dem Sudan zugutekommen kann, protestiert der Staat gegen das Projekt.
Denn vor allem in den kommenden Jahren, in denen der Stausee aufgefüllt wird, wird in anderen Anrainer-Staaten wie dem Sudan und Ägypten weniger Wasser ankommen. Dadurch wächst dort die Sorge um die eigene Wasserversorgung.
Vor allem für Ägypten ist der Nil sehr wichtig, weil der Wüstenstaat fast seinen kompletten Wasserbedarf mit dem Wasser aus dem Nil deckt. Seit Monaten gibt es Verhandlungen, die klären sollen, wie viel Wasser Äthiopien für den Damm abspeisen darf und wie viel das Land für die Nachbarstaaten durchlassen wird. Bisher konnte nicht wirklich eine Einigung gefunden werden und die Gespräche blieben weitestgehend erfolglos, sagt Antje Diekhans, ARD-Korrespondentin in Nairobi.
Äthiopien hat schon begonnen Wasser zu sammeln
Der Damm befindet sich zurzeit in einer Bauphase, in der Wasser eingefüllt werden muss, sagt Antje Diekhans. Die Bauingenieure erklären das damit, dass jetzt ein gewisser Druck auf die Stauwände ausgeübt werden muss. Deswegen hat Äthiopien damit begonnen, in der Regenzeit Wasser zu sammeln. Das heißt, bisher habe das Land kein Wasser aus dem Nil abgezogen, sondern einfach nur das Regenwasser nicht mehr durchgelassen.
Darauf hat dann Ägypten allerdings empört reagiert und dafür gesorgt, dass die USA den Staat in seinen Interessen unterstützt. Die USA haben daraufhin die Finanzhilfen für Äthiopien gekürzt. Eine Art politisches Signal, unsere Korrespondentin nennt es einen Warnschuss.
Welchen Effekt diese Sanktion tatsächlich haben wird, bleibt abzuwarten, sagt Antje Diekhans. Sie sagt, dass Experten sogar glauben, dass dieser Ansatz kontraproduktiv sein könnte, weil es Äthiopien unter Druck setzt und das Land dadurch möglicherweise künftig weniger kompromissbereit sein könnte.
"Wenn in Äthiopien Dämme gebaut werden, bleibt der Pegel des Nils das ganze Jahr über konstant. Es wird im Sommer keine Überflutungen geben und keine Dürre während der Trockenperiode."
Es gibt Verträge, die mehr als hundert Jahre alt sind, die regeln, wie das Wasser des Nils genutzt werden darf. In diesen Verträgen wurde Ägypten bevorzugt, weil dies den damaligen Machtverhältnissen entsprochen hat.
In diesen Verträgen steht beispielsweise, dass Äthiopien und auch andere Länder am Blauen oder Weißen Nil kein Bauwerk errichten dürfen, ohne dass Ägypten zustimmt. Da diese Verträge allerdings aus der Kolonialzeit stammen, fühlen sich die meisten Länder nicht mehr daran gebunden. Außer Ägypten, denn das Land beharrt darauf, dass diese Verträge noch Gültigkeit haben.
Äthiopien spricht von einer Win-win-win-Situation
Zurzeit kommt es im Sudan zu starken Überschwemmungen. Äthiopien argumentiert, dass mithilfe des Staudamms künftig solche Überschwemmungen vermieden werden könnten. Auch zu Beginn des Baus im Jahr 2011 rechtfertigte der damalige Premierminister Meles Zalawi den Bau damit, dass auch die Nachbarländer somit von diesem Projekt profitieren könnten. Eine Win-win-win-Situation, so sieht es zumindest Äthiopien, sagt Antje Diekhans.