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Als Abiy Ahmed 2018 in Äthiopien an die Macht kam, startete er den Demokratisierungsprozess. Für die Aussöhnung zwischen Äthiopien und Eritrea bekam er 2019 den Friedensnobelpreis. Vielleicht hat er seine Reformen zu schnell vorangetrieben? Unsere Korrespondentin in Nairobi, Antje Diekhans, sagt, in den aktuellen Konflikten zeige sich nun, dass er nicht alle mitgenommen hat.

Seit drei Wochen tobt in Äthiopien ein Kampf zwischen der Zentralregierung und der Führung der Nordprovinz Tigray. Der regierende Ministerpräsident Abiy Ahmed wirft der in der Nordprovinz regierenden Tigray People's Liberation Front (TPLF) vor, einen bewaffneten Aufstand angezettelt zu haben. Er droht den Menschen in Tigray mit Auslöschung, sollten sie sich nicht von ihrer Führung lösen. 31.000 Menschen sind inzwischen auf der Flucht.

Die Führung in Tigray ist seit Jahrzehnten an den Schalthebeln der Macht in Äthiopien und hatte wichtige Posten in Regierung und Militär inne. Als Abiy Ahmed 2018 in Äthiopien an die Macht kam, wollte er Äthiopien demokratisieren. Für die TPLF bedeutete das einen herben Machtverlust. Inzwischen ist sie nicht einmal mehr an der Regierung beteiligt.

Konflikt wird militärisch ausgetragen

Das stößt bei der Bevölkerung in der Region Tigray auf Unmut. Die Lage zwischen den Anhängern der TPLF und der Zentralregierung eskaliert. Im September ließ die TPLF eigenmächtig Wahlen abhalten, obwohl diese aufgrund der Corona-Pandemie äthiopienweit verschoben werden sollten. Seitdem verbreitet die TPLF, Abiy Ahmed sei ein Ministerpräsident, der sich unrechtmäßig im Amt halte, erklärt Korrespondentin Antje Diekhans. Die Zentralregierung wiederum erkennt die regionale Führung der TPLF nicht an. Inzwischen wird der Konflikt militärisch ausgetragen.

"Das ganze ist jetzt tatsächlich so weit eskaliert, dass jetzt militärisch eine Lösung gesucht wird."
Antje Diekhans, Korrespondentin

Der TPLF geht es darum, ihre Macht zurück zu bekommen. Außerdem fordert sie die Autonomie der Tigray-Region. Da stelle sich allerdings die Frage, ob das nur als Druckmittel genommen wird, um wieder zurück an die Macht zu gelangen.

Ein Friedensnobelpreisträger führt Krieg

Ministerpräsident Abiy Ahmed erhielt 2019 den Friedensnobelpreis für die Aussöhnung zwischen Äthiopien und Eritrea. Tigray liegt ebenfalls an der Grenze zu Eritrea. Der Krieg, der zwischen 1998 und 2000 zwischen Äthiopien und Eritrea stattfand, war vor allem ein Krieg der TPLF gegen Eritrea, erklärt Korrespondentin Antje Diekhans. Im Konflikt zwischen der äthiopischen Zentralregierung und der TPLF in Tigray sucht Eritrea deshalb den Schulterschluss mit Abyi Ahmed.

Die TPLF wirft deshalb wiederum Eritrea vor, bereits in den Konflikt eingegriffen zu haben. Eritreische Soldaten würden zusammen mit äthiopischen Soldaten in der Tigray-Region kämpfen. Die TPLF hat daraufhin die eritreische Hauptstadt Asmara mit Raketen beschossen.

"Dieser Konflikt hat sich schon wieder auf das Nachbarland ausgeweitet."
Antje Diekhans, Korrespondentin

Zu sagen, Abiy Ahmed möchte mit der Militäraktion gegen die TPLF den Frieden sichern, wäre ein bisschen verkürzt, findet Antje Diekhans. Immerhin hat der Ministerpräsident die Armee in die Region Tigray geschickt, inzwischen werden erste zivile Opfer gemeldet. Was genau in Tigray los ist, sei aber schwer herauszufinden, sagt die Korrespondentin. Kein Internet, kein Telefon, die gesamte Kommunikation ist lahmgelegt.

Die Zentralregierung unter Abiy Ahmed hält die Militäraktion für den einzigen Weg, den Demokratisierungsprozess in Äthiopien weiter voranzutreiben. Kritiker werfen Abiy Ahmed vor, bei seinem enormen Reformtempo, die regionalen Führer nicht mit ins Boot geholt zu haben. Auch bei anderen Volksgruppen in Äthiopien regt sich bereits Unmut gegen den Ministerpräsidenten.

"Abiy Ahmed hat den Staat wirklich in einem Wahnsinnstempo umgekrempelt und dabei vergessen, einige mitzunehmen."
Antje Diekhans, Korrespondentin
Shownotes
Äthiopien
Konflikt mit Tigray – Lösungen werden militärisch gesucht
vom 23. November 2020
Moderatorin: 
Diane Hielscher
Gesprächspartnerin: 
Antje Diekhan (Korrespondentin)