Mindfulness ist ein hohes Gut. In Zeiten von Corona fällt uns der Fokus auf uns selbst umso schwerer. Jan Lenarz weiß, warum das so ist und wie wir unsere Achtsamkeitspraxis ändern können.
Wut, Trauer, Furcht, Langeweile. Viele von uns durchleben derzeit eine Gefühlsexplosion nach der anderen. Dabei fiel es schon vor der Corona-Pandemie nicht immer leicht, sich auf eine Sache zu konzentrieren. So springen ungewollte Gedanken meist genau dann durch den Kopf, wenn man gerade besonders produktiv sein oder aber – das Gegenteil – einfach nur die Seele baumeln lassen will.
Während der Krise ringen wir nun negativen Emotionen. Und weil unsere Existenz und Gesundheit bedroht sind, wird das Besinnen auf sich selbst zu einem Akt der Unmöglichkeit. Gerade für die, die Achtsamkeitspraktiken an sich schon als anstrengend genug empfinden. Es braucht also einen Perspektivwechsel. Den liefert Buchautor Jan Lenarz im Gespräch mit Ab21.
Jan beschreibt sich selbst als Aktivist für mentale Gesundheit. Bekannt wurde der Großstädter 2015, als er einen Terminkalender mit Achtsamkeitsanspruch entwarf. Wie es dazu kam? Lenarz selbst litt noch vor einigen Jahren unter einem Burnout. Nachdem er eine Therapie absolvierte, wandte er sich dem Thema Achtsamkeit zu.
„Die Bücher dazu fand ich immer ein bisschen schwierig. Die haben mich nicht so richtig abgeholt“, sagt er. Kurzerhand musste „Ein guter Plan“ her. Der Kalender, der seine Besitzer mit wertigem Einband, freien Flächen sowie klugen Reflexionstools ein bisschen achtsamer im Alltag machen soll. Zu sich finden durch buddhistische Lehren und „Berliner Straßenschläue“, wie Lenarz es nennt.
Was läuft bei mir eigentlich gerade ab?
Aber können Achtsamkeit und Selbstliebe überhaupt durch die Zeit während der Corona-Pandemie helfen? Lenarz glaubt, dass das grundsätzlich möglich ist:
„Mit Einschränkungen ist das schon ein gutes Hilfsmittel. Die Achtsamkeit hilft einem, in stressigen Phasen wieder bei sich anzukommen.“
Jan empfiehlt, den Kontakt zu sich selbst herzustellen und beizubehalten. Für ihn lohnt es sich oft schon, negative Gedanken bewusst wahrzunehmen und auf „die eigene Realität zurückzuführen“. Für alle die, die sich jetzt davon schon wieder unter Druck gesetzt fühlen, gibt der Experte Entwarnung:
„Man kann den Leuten nicht einfach empfehlen, sei achtsam! Das klappt so nicht, das dauert ein bisschen“
Wenigstens einmal am Tag sollten wir kurz innehalten und uns die Frage erlauben, wie wir uns gerade fühlen und woran wir denken, sagt Jan: „Denke ich vielleicht schon seit zehn Minuten an das gleiche Thema, ohne dass ich einen Abschluss finde?“ Dabei reiche es schon aus, das eigene Befinden neutral wahrzunehmen, ohne es einzustufen.
Es sei vor allem wichtig, zu akzeptieren, wenn es einem gerade nicht gut geht. Auch zu erkennen, dass man verwirrt ist, sei schon Teil der Selbsterkenntnis. „Es ist immer noch besser gestresst zu sein, als gestresst zu sein und es nicht wahrzunehmen.“
Jan selbst hat übrigens „keinen Bock mehr“ auf die aktuelle Pandemie. Die Situation redet er sich aber nicht schön, sondern macht sich bewusst, dass es völlig okay ist, jetzt genervt zu sein. Auch das ist Achtsamkeit.
Dennoch: Selbstfürsorgetechniken allein reichten nicht aus. Deshalb plädiert Jan dafür, den Schmerz anzunehmen. Man könne nicht von allen Menschen verlangen, aus der Krise gestärkt mit neuen Hobbies herauszugehen: „Wir können nicht den ganzen Tag meditieren und Yoga machen.“ Er rät, existenzielle Fragen zuzulassen, auch wenn sie wehtun.
Fakten über Achtsamkeit
- Studien belegen, dass Achtsamkeit dabei helfen kann, die eigenen emotionalen Impulse zu kontrollieren.
- Menschen, die Achtsamkeit praktizieren, reagierten besser auf Stress und hatten eine geringere hormonelle und entzündliche Reaktion als Leute, die keine Achtsamkeit praktizieren.
- Studien zeigen auch, dass Menschen glücklicher sind, wenn sie alltägliche Tätigkeiten wie Putzen oder Kaffekochen achtsam ausführen.
- Der Zusammenhang von Achtsamkeit und Leistungsfähigkeit ist auch an deutschen Hochschulen ein Thema.
Meldet euch!
Ihr könnt das Team von Facts & Feelings über WhatsApp erreichen.
Uns interessiert: Was beschäftigt euch? Habt ihr ein Thema, über das wir unbedingt in der Sendung und im Podcast sprechen sollen?
Schickt uns eine Sprachnachricht oder schreibt uns per 0160-91360852 oder an factsundfeelings@deutschlandradio.de.
Wichtig: Wenn ihr diese Nummer speichert und uns eine Nachricht schickt, akzeptiert ihr unsere Regeln zum Datenschutz und bei WhatsApp die Datenschutzrichtlinien von WhatsApp.