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Zur Achtsamkeit werden gerade viele Kurse und Seminare gebucht. Die positive Aussage: Wer Achtsamkeit übt, kann mit negativen Emotionen besser umgehen. Einige Forscher wenden jetzt ein: Aber bitte nicht übertreiben. Selbst das Stichwort Psychopath fällt.

Seit 2011 nehmen die Google-Suchanfragen nach dem Begriff "Achtsamkeit" stetig zu. Massenhaft Seminare, Kurse und Übungen werden zum Thema angeboten, und es gibt sogar ein Deutsches Fachzentrum für Achtsamkeit, bei dem man sich zum Achtsamkeitstrainer ausbilden lassen kann.

Bei der Achtsamkeit geht es viel um einen selbst, um das eigene Bewusstsein, wie man Erfahrungen wahrnimmt und wie man – ganz praktisch – mit seiner eigenen Ungeduld und negativen Emotionen umgeht. Am Ende kann Achtsamkeit die eigene Lebensfreude steigern. 

Übertriebene Achtsamkeit kann zu Angstzuständen führen

Allerdings hat die Achtsamkeit nicht nur positive Seiten. Die Psychiaterin Willoughby Britton von der Brown University weist in der Süddeutschen Zeitung darauf hin, dass die Dosis relevant sei. Heißt: Übertreibt man es mit der Achtsamkeit, könne es zum Gegenteil der gewünschten Effekte kommen, nämlich zu depressiven Verstimmungen oder Angstzuständen.

Übertreibungen sind bekanntlich fast niemals zielführend, auch bei der Achtsamkeit nicht. Die Psychiaterin Britton fragt: Wenn Achtsamkeit hilft, sich von negativen Emotionen zu distanzieren – wie weit kann man gehen, um noch nicht bei der Psychopathie anzukommen?

"Ein Scharfschütze, der irgendjemanden umbringen soll - da sind Achtsamkeitsübungen auch wünschenswert, nur eben mit einem anderen Ziel."
Simon Schindler, Psychologe, Universität Kassel

Der Psychologe Simon Schindler von der Universität Kassel hat zusammen mit Kollegen eine Studie durchgeführt. Studierende, die generell Fleisch essen, wurden in zwei Gruppen geteilt. Die eine machte Übungen zur Achtsamkeit, die andere nicht. Danach wurde beiden Gruppen jeweils ein Video zur Fleischproduktion gezeigt. "Man kann sich vorstellen, das ist nicht so angenehm. Das Tierleid ist groß", sagt Simon Schindler.

Die Forscher haben die beiden Gruppen dann gefragt: Wie groß ist euer schlechtes Gewissen? Und wie groß eure Bereitschaft, den Fleischkonsum einzustellen bzw. zu reduzieren? Das Ergebnis: Die Leute mit absolvierten Achtsamkeitsübungen hatten eine geringe Motivation, ihren Fleischkonsum zu überdenken.

Militär könnte Interesse haben

Die Studie weist auf ein mögliches Phänomen hin: Achtsamkeit kann zu verschiedenen Zwecken eingesetzt werden. Menschen, die notorisch unsicher und von Schuldgefühlen und Selbstzweifeln geplagt sind, kann sie helfen.

Andererseits: Auch das Militär könnte Interesse daran haben. Forscher Simon Schindler: "Ein Scharfschütze, der irgendjemanden umbringen soll - da sind Achtsamkeitsübungen auch wünschenswert, nur eben mit einem anderen Ziel."

Mehr zum Thema:

Shownotes
Kein schlechtes Gewissen mehr
Die negativen Folgen der Achtsamkeit
vom 05. März 2019
Moderator: 
Thilo Jahn
Autor: 
Stephan Beuting, Deutschlandfunk-Nova-Reporter