Der Europarat kritisiert Deutschland für Polizeigewalt bei Abschiebungen: Das Antifolter-Komitee bezeichnet einzelne Maßnahmen als Misshandlung. Wir sprechen mit Manuel Ostermann von der Deutschen Polizeigewerkschaft über die Vorwürfe.
Der Europarat deckt immer wieder Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Russland oder der Türkei auf. Jetzt hat ein Ausschuss des Europarats - das Antifolter-Komitee - aber auch Deutschland im Visier. Es geht dabei um die Praxis der Abschiebungen. Vieles laufe gut, manches allerdings nicht, so das Komitee.
Menschen, die abgeschoben wurden, seien in Einzelfällen "unangemessener" Gewalt begegnet. Und ihnen sei teils nicht früh genug Bescheid gegeben worden, dass ihre Abschiebung bevorsteht. Das sei wichtig, damit sich jeder auch psychisch mit der Situation auseinandersetzen könne, erklärt unsere Nachrichten-Kollegin Sabrina Loi.
"Das Anti-Folter-Komitee beschreibt, dass ein Mann mit Klebeband gefesselt und von sechs Polizisten festgehalten wurde."
Die Mitglieder des Antifolter-Komitees waren im vergangenen Sommer für einige Tage in Deutschland. Sie haben eine Abschiebung von 46 Afghanen begleitet, die mit dem Flugzeug von München nach Kabul gebracht wurden. Außerdem haben sie sich eine Hafteinrichtung in Eichstätt angesehen, in der Menschen, die abgeschoben werden sollen, untergebracht sind.
Wie Gefangene untergebracht
Auch in dieser Einrichtung läuft nach Meinung des Antifolter-Komitees einiges schief: Das Wachpersonal sei nicht speziell geschult, die Männer würden wie Strafgefangene behandelt, dürften keine eigene Kleidung tragen, könnten nicht direkt mit einem Arzt sprechen und hätten nur eingeschränkten Zugang zu Räumen, in denen sie sich die Zeit vertreiben können.
Genitalien gequetscht
"Die Bundesregierung sagt dazu, dass die Männer in Abschiebehaft meist nicht genügend eigene Kleidung besäßen, um sie regelmäßig zu wechseln", berichtet unsere Nachrichten-Kollegin. Deshalb würde man auf Kleidung aus der Haftanstalt zurückgreifen. Dennoch bleiben die Vorwürfe, dass Gewalt im Spiel sei, bestehen: Konkret soll ein Mann, der sich bei der Abschiebung stark wehrte, mit Klebeband gefesselt worden sein. Ein Beamter habe ihm den Arm gegen den Hals gedrückt, so dass der Mann kaum noch Luft bekommen hätte. Außerdem soll ein anderer Polizist ihm mehrmals für längere Zeit die Genitalien gequetscht haben.
Extremsituation für beide Seiten
Manuel Ostermann ist Bundespolizist und stellvertretender Bundesjugendleiter in der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er sagt: Nur besonders geschulte Polizisten dürfen solche Abschiebungen durchführen und begleiten. "Die Art und Weise, wie man mit den Personen in den Flugzeugen umzugehen hat, ist genau festgelegt." Es gebe Möglichkeiten, eine Person bei Widerstand zu fixieren. Dazu gehören die geschilderten Maßnahmen aber nicht.
"Sollte es Verfehlungen geben von einzelnen Kolleginnen oder Kollegen, dann sind wir immer bemüht, diese Verfahren aufzuarbeiten - zunächst in Form von Ermittlung seitens der Behörde."
Oft sei bei einer Abschiebung Gewalt im Spiel, sagt Mauel Ostermann - allerdings auch von denjenigen, die abgeschoben werden sollen: Polizisten würden mit Fäkalien beworfen, bespuckt, geschlagen. Manche fügten sich selbst Verletzungen zu, mit dem Ziel, dann nicht abgeschoben zu werden. Solche Situationen seien auch für die geschulten Beamten Extremsituationen. Man müsse schauen, dass alle vernünftig aus dieser Situation heraus kämen.
"Man muss gucken, dass alle Beteiligten aus so einer Situation vernünftig, rechtsstaatlich und heile heraus kommen."
Manuel Ostermann befürwortet sogenannte Abschiebehaftplätze, in denen diejenigen, die nicht freiwillig gehen oder zu fliehen versuchen, festgehalten werden können. Besonders wichtig sei aber auch, mit den Menschen zu reden. "Ich vermute, das nimmt viel Aggressionspotenzial", sagt der Polizist.
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