Stellt Euch vor, ihr schmeißt was weg. Wem gehört das dann? Euch, den Stadtwerken oder einfach niemandem? Mit solchen Fragen befasst sich gerade das Amtsgericht in Köln.
In dem aktuellen Fall geht es um den Müll des Künstlers Gerhard Richter. Im Sommer 2016 trennt Richter sich von einigen Skizzen und wirft sie in die Tonne. Ein 49-jähriger Mann interessiert sich für die Altpapiertonne vor Gerard Richters Haus und beginnt, darin herumzuwühlen. Er findet die Skizzen, nimmt sie mit und bietet sie später einem Auktionshaus an. Es könnte ein vielversprechendes Geschäft werden. Denn selbst mit weggeworfenen Skizzen aus dem Müll hätte der – nennen wir ihn mal – Finder 60.000 Euro machen können. Hätte. Denn seit heute muss ein Gericht entscheiden: Ist der Mann wirklich ein Finder oder ein Dieb?
Wem gehört der Abfall, den wir in die Tonne werfen? Wir wollen die Sachen ja definitiv nicht mehr haben, sonst würden sie nicht im Müll landen. Die Schlussfolgerung, dass sich jeder an Müll bedienen darf, geht jedoch nicht auf. Denn Müll hat immer einen Besitzer, sagt Rechtsanwalt Christian Solmecke. Das Gesetz geht davon aus, dass wir – wenn wir Müll in die Tonne werfen – wünschen, dass er auch vernichtet wird. Bis der Müllwagen unseren Abfall abholt, und recycelt oder verbrennt, gehört er uns. Wenn jemand etwas aus der Tonne herausnimmt, gilt das als Diebstahl.
"Beim privaten Hausmüll wird es in der Regel so sein, dass man die Vernichtung wünscht. Und dann bleibt man so lange Eigentümer, bis die Müllabfuhr kommt, den Müll abholt und in den Müllwagen reinwirft."
Dabei ist eine Sache entscheidend: Was wünscht der ehemalige Besitzer, wenn er Sachen in den Müll wirft? Wenn er die Sachen einfach nur loswerden will, ist es ihm vermutlich egal, ob sie jemand anderes noch weiterverwendet. Wenn er will, dass die Sachen für immer verschwinden, dann macht das einen Unterschied. “Wenn es ihm egal ist, hat er das Eigentum aufgegeben und dann darf man sich den Müll quasi unter den Nagel reißen", erklärt Solmecke, "wenn der Eigentümer aber möchte, dass der Müll vernichtet wird, dann muss man den Müll auch in Ruhe lassen und muss dem Wunsch des Eigentümers auf Vernichtung entsprechen."
Mit diesem heiklen Unterschied müssen sich dann Gerichte beschäftigen. Joghurtbecher, Verpackungsmüll, solche Sachen dürften den Wegwerfenden egal sein. Aber zum Beispiel Liebesbriefe, Kontoauszüge und ja, misslungene Skizzen eines ansonsten perfektionistischen Künstlers – da kann man davon ausgehen, dass der ehemalige Besitzer will, dass das Zeug vernichtet wird.
"Und insofern wäre es sogar eine Straftat, wenn man diesen Müll, den der Eigentümer nicht aufgegeben hat, mitnimmt."
Beim Containern ist diese Frage beispielsweise nicht immer einfach zu beantworten. Supermärkte werfen ihre abgelaufenen Lebensmittel weg, obwohl sie ja eigentlich noch essbar sind. Und Leute, die dabei erwischt werden, wie sie diese Dinge aus der Mülltonne fischen, bekommen Probleme. So wie Christian Walther: "Ich wurde einmal von der Polizei und viermal von der Security erwischt. Die Polizei hat meine Personalien aufgenommen, die Security waren ganz locker, die meinten, wenn ich alles sauber hinterlasse, ist es in Ordnung. Und bei zweien musste ich das Essen in die Tonne werfen, dann war es aber auch gut für die."
Sperrmüll steht offensichtlich an der Strasse – das ist was anderes
Walther betreibt das Bündnis "Containern ist kein Verbrechen". Er will, dass die elf Millionen Tonnen Lebensmittel, die laut Bundesregierung jährlich weggeworfen werden, sinnvoll genutzt werden. Die Supermärkte hätten es in der Hand. Sie müssten klar machen, auf welcher Seite sie stehen – ob sie die Sachen einfach nur loswerden oder das Essen aktiv vernichten wollen.
"Das wichtigste Anzeichen dafür, dass ein Supermarkt das Eigentum an weggeworfenen Lebensmitteln nicht aufgeben möchte, sind verschlossene Müllcontainer."
Ganz im Gegensatz zum Sperrmüll wiederum. Der steht offen rum. Wer durch die Nachbarschaft streift, in der Hoffnung ein schönes Nachttischchen zu finden, der kann das rein juristisch ganz entspannt tun. Wer verhindern will, dass sein Zeug mitgenommen will, muss es direkt beim Wertstoffhof abgeben. Wer den Müll offen auf die Straße stellt, gibt ein deutliches Signal: "Ihm ist egal, wer nachher den Sperrmüll mitnimmt", sagt Anwalt Christian Solmecke.
Künstler Gerhard Richter übrigens hat mitteilen lassen, dass er gar nicht will, dass der Skizzendieb verurteilt wird. Wohl aber, dass die Skizzen vernichtet werden und dass sein Müll auch tatsächlich Müll bleibt.
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