Polizisten in Deutschland haben 2016 rund 22 Millionen Überstunden gemacht. Zwei Millionen mehr als im Jahr 2015. Besonders betroffen ist die Bereitschaftspolizei in Berlin.
Der Kalender der Berliner Polizei ist zum Bersten voll: G20-Afrikagipfel, Christopher Street Day, Modemesse Bread&Butter, Pyronale und weitere Veranstaltungen. Hinzu kommt: In Berlin gibt es deutschlandweit die höchste Zahl an Straftaten pro 1000 Einwohner. All das spiegelt sich im Stundenkonto der Berliner Polizisten wider.
Besserung ist nicht in Sicht, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Paul Vorreiter. Dass Berliner Polizisten viele Überstunden machen müssen, ist bekannt.
Im Herbst 2016 hatte die Ehefrau eines Polizisten ihrem Ärger Luft gemacht: In einem offenen Brief an den Berliner Polizeipräsidenten Klaus Kandt prangert sie an, dass ihr Mann einmal sieben Wochen ohne Pause durcharbeiten musste.
"Mein Mann arbeitet durch das aktuelle Arbeitszeitenmodell und die Unterbesetzung pausenlos durch. Unser fragwürdiger Rekord liegt bei sieben Wochen am Stück, ohne auch nur einen freien Tag!"
Bereitschaftsdienst kommt oft "oben drauf"
Sie schreibt auch, dass ihr Mann fast immer zehn oder zwölf Stunden am Stück arbeiten müsse. In einem Radiointerview sagte die Frau, dass ihr Mann häufig im Bereitschaftsdienst arbeite und spontan für Alarmhundertschaften einberufen werden kann.
Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei, sagt, dass sei ganz normal. Bereitschaftspolizisten leisten einen täglichen Dienst und müssen für Bereitschaftsdienste zur Verfügung stehen.
"Es kann sein, dass die Einsatzkräfte von heute auf morgen von einem Staatsbesuch hören und umplanen müssen. Dann kann man nicht zwei Tage nach einem Staatsbesuch sagen: Jetzt bauen wir Überstunden ab. Das Tagesgeschäft geht weiter."
Teufelskreis Freizeitausgleich
Die Berliner Senatsinnenverwaltung hat für die Polizisten zwar Freizeitausgleich genehmigt. Der ist in der Praxis aus Personalmangel aber kaum umzusetzen. Dadurch entsteht ein Teufelskreis, da der Beamte, der den Freizeitausgleich in Anspruch nimmt, von einem anderen Beamten vertreten werden muss, der dafür wiederum Überstunden macht.
So haben die Berliner Polizisten mittlerweile rund 150 Überstunden pro Kopf und pro Jahr angehäuft. Das entspricht rund 20 Arbeitstagen.
Für Peter Hantel, Anwalt für Arbeitsrecht, ist das deutlich zu viel. Er sagt, fünf Überstunden pro Monat seien für einen Beamten angemessen. Hinzu kommt: Wenn Arbeitnehmer die Überstunden nicht abbauen können, müssen sie dafür bezahlt werden. 2014 hat das das Berliner Polizeipräsidium fünf Milllionen Euro gekostet.
"Ein ganzer Monat on top als Überstunden, das kann nicht sein."
Nachwuchs dringend benötigt
Eine Lösung könnten mehr Polizisten sein. Allerdings steht der Berliner Haushaltsentwurfs für 2018/19 noch nicht. Im Koalitionsvertrag steht immerhin schon mal, dass 1000 Stellen besetzt werden sollen. Außerdem will der Senat bis 2021 600 Nachwuchspolizisten ausbilden.