Ärztemangel in SachsenMedizin in Ungarn studieren: Ohne 1,0-Abi und Studiengebühren
In vielen ländlichen Regionen Deutschlands sieht es mit der hausärztlichen Versorgung schlecht aus. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen finanziert deshalb jungen Menschen ein Medizinstudium in Ungarn – wenn sie eine Verpflichtung eingehen.
Lisa Zell absolviert gerade ihre Facharztausbildung zur Fachärztin für Allgemeinmedizin in Delitzsch. Sie hat Medizin studieren können, obwohl sie weder ein 1,0-Abi gemacht noch eine teure Privat-Uni bezahlt hat. Lisa hat an einem Programm der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Sachsen teilgenommen.
Ärzte-Nachwuchs fürs Land
Mit dem Programm "Studieren in Europa - Zukunft in Sachsen" will das Bundesland für mehr Ärzte-Nachwuchs auf dem Land sorgen. Seit 2013 finanziert die KV Sachsen jedes Jahr 20 Menschen ein Studium in der ungarischen Stadt Pécs – auch ohne 1,0-Abi.
Die einzige Bedingung: Nach dem Studium müssen die Studierenden für mindestens fünf Jahre als Hausärzt*in in Sachsen außerhalb der Städte Leipzig und Dresden tätig sein.
"Ich habe das nicht als Verpflichtung angesehen, ich habe nicht gedacht: Oh Gott, wenn ich wiederkomme, muss ich da dahin!"
Lisa hat 2013 mit ihrem Studium begonnen und war somit eine der ersten, die das Angebot der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen wahrgenommen hat. Später im ländlichen Sachsen als Hausärztin arbeiten müssen, ist kein Problem, sagt Lisa. Schließlich kommt sie aus der Region und ist dort aufgewachsen.
Keine Chance auf einen Studienplatz in Deutschland
Das Abitur hat sie mit einem Schnitt von 1,9 absolviert – und hatte damit kaum eine Chance auf einen Studienplatz in Deutschland. Gutes Abi und trotzdem kein Studienplatz ist in Deutschland oft die Realität.
Die Mutter ihres damaligen Freundes macht sie schließlich auf das Förderprogramm aufmerksam. Für Lisa die einzige Möglichkeit ihren Traum vom Medizinstudium zu verwirklichen.
Jedes Jahr fangen in Pécs etwa 200 deutschsprachige Studierende ein Medizinstudium dort an. Ein Sprachproblem gibt es dabei meistens nicht: In Pécs sprechen viele der Einwohner*innen deutsch. In den Schulen wird Deutsch neben Englisch als erste Fremdsprache angeboten, erzählt Lisa. Und auch an der Uni finden die Kurse auf deutsch statt.
"Unser Dozent hat zum Beispiel statt 'genau' immer 'pünktlich' gesagt. Also statt 'Ich kann das jetzt nicht genau sagen' hat er gesagt 'Ich kann das jetzt nicht pünktlich sagen'. Irgendwie ganz süß, aber trotzdem gut zu verstehen."
Große Unterschiede zu einem Medizinstudium in Deutschland gab es nicht. Lisa findet, das Studium in Ungarn habe auch seine Vorteile gehabt. Denn im Gegensatz zu ihrer Heimat fanden die Prüfungen dort fast immer mündlich statt.
"Die mündlichen Prüfungen haben einen gut auf das vorbereitet, was einen im Alltag später erwartet. Denn letztendlich ist irgendwie jeder Dienst in der Notaufnahme wie eine kleine mündliche Prüfung."
Mündliche Prüfungen bedeuten aber nicht, dass das Studium deshalb weniger fordernd ist, findet der Vorsitzende der KV Sachsen, Klaus Heckelmann. Im Gegenteil: Er ist der Meinung, den Studierenden werde in Ungarn teilweise noch mehr abverlangt. Etwa eine zusätzliche wissenschaftliche Arbeit am Ende ihres Studium – quasi eine kleine Promotion.
Programm ist eine von vielen Lösungen
Die Studienzeit liegt schon hinter Lisa. Jetzt arbeitet sie als Ärztin in Delitzsch, einer Stadt mit 24.000 Einwohner*innen. Den Altersdurchschnitt der Hausärzt*innen in ihrem Bundesland zieht sie damit ganz schön nach unten.
Für Klaus Heckelmann ist das ein Zeichen dafür, dass das Förderprogramm Früchte trägt. Auch wenn der Ärztemangel damit nicht vollends behoben werden kann, findet er, dass das Programm eine von vielen Lösungen ist, die sie brauchen.