Organspende wird umorganisiertZiel: Mehr Transplantationen – per Gesetz
Viele wollen ihre Organe spenden, aber wirklich viel transplantiert wird in Deutschland nicht. Ein neues Gesetz soll das ändern.
Im Jahr 2017 ist die Zahl der Organspenden auf einen Tiefststand gefallen. Die Bundesregierung will die Zahl der Organspenden in Deutschland erhöhen. Das Kabinett verabschiedete dazu am Mittwoch (31.10.2018) einen Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er sieht eine bessere Vergütung der Kliniken, mehr Kompetenzen für die Transplantationsbeauftragten und verbesserte Strukturen in der Transplantationsmedizin vor. Das Gesetz soll in der ersten Jahreshälfte 2019 in Kraft treten.
Transplantationsbeauftragte im Mittelpunkt
Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs sind:
- höhere Vergütung der Krankenhäuser für Organspenden
- mehr Zeit und eine stärkere interne Stellung für die Transplantationsbeauftragten
- Zugangsrecht zu den Intensivstationen und Einsicht in die Patientendaten für die Transplantationsbeauftragten
- ein flächendeckender neurologischer Bereitschaftsdienst zur Hirntod-Diagnose
Johann Pratschke leitet die Klinik für Allgemein-, Visceral- und Transplantationschirurgie an der Berliner Charité. Er beschreibt die Aufgabe der Beauftragten so: Potentielle Spender werden ihnen bei Aufnahme in der Klinik gemeldet und sie kümmern sich um alle Prozesse, die dann nach dem Hirntod des Patienten zur Organentnahme und in der Folge zu einer Transplantation führen können.
Hinzu kommt die Fortbildungs- und Aufklärungsarbeit innerhalb der jeweiligen Klinik – insbesondere gegenüber Patienten und Angehörigen.
"Die Transplantationsbeauftragten sind auch dafür zuständig, sicher zu stellen, dass der Wille zur Organspende vorlag oder mit Angehörigen den vermutlichen Willen des Verstorbenen herauszuarbeiten. "
Jens Spahn erklärte, das Hauptproblem bei der Organspende sei nicht eine niedrige Spendebereitschaft. Diese habe in den vergangenen Jahren sogar zugenommen. Der Schlüssel liege bei den Kliniken. Ihnen fehle häufig Zeit und Geld, um mögliche Organspender zu identifizieren. Johann Pratschke begrüßt den Gesetzesentwurf, besonders dort, wo er die Transplantationsbeauftragten betrifft.
"Ich erhoffe mir durch die Stärkung der Transplantationsbeauftragen eine deutlich bessere Identifikation der Patienten, die Hirntod sind und wirklich spenden wollten."
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte verbesserte Strukturen, warnte aber zugleich vor einem schweren Eingriff in Datenschutz.- und Bürgerrechte von Schwerstkranken. Es sei nicht zu akzeptieren, dass Transplantationsbeauftragte schon vor der Feststellung des Hirntodes uneingeschränkt Einsicht in die Patientenakten nehmen dürften, sagte Vorstand Eugen Brysch. Ebenso gehe der Gesetzentwurf bei der Trauerbegleitung an den Bedürfnissen der Angehörigen vorbei. Der Kabinettsbeschluss sehe kein dauerhaftes seelsorgerisches Angebot vor.
Unabhängig von dem Gesetzentwurf hatte Jens Spahn sich für die Einführung einer Widerspruchslösung ausgesprochen. Bislang ist nur derjenige ein potenzieller Organspender, der zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Bei einer Widerspruchslösung würde diese Logik umgedreht: Jeder Bürger wäre potenzieller Organspender – es sei denn, er hat ausdrücklich widersprochen.
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