Karriere an der UniZeitverträge: Junge Wissenschaft am Limit
Konkurrenz, hohe Anforderungen und schlechte Arbeitsbedingungen. Wer Karriere in der Wissenschaft machen will, muss einiges auf sich nehmen. Die Reform des Wissenschaftszeitgesetzes verschärft die Rahmenbedingungen sogar. Zwei Wissenschaftler erzählen von ihrem Hustle.
Manche können es kaum erwarten, mit der Uni fertig zu werden. Andere lieben es, in der Bibliothek zu sitzen, in Abhandlungen einzutauchen, Theorien zu diskutieren und ihre Erkenntnisse dann in wissenschaftlichen Arbeiten zu verschriftlichen. So wie Mona. Sie ist nach ihrem Abschluss der Geschichtswissenschaften an der Uni geblieben, hat promoviert. Nun schreibt sie ihre Habilitation.
Danach hofft sie, eine unbefristete Stelle an der Uni zu bekommen, im besten Fall will sie Professorin werden. Das ist der Olymp der akademischen Karriere. Vor allem kann es eine Verbeamtung bedeuten und einen unbefristeten Arbeitsvertrag.
Unbefristete Stellen sind fast nur Professor*innen vorbehalten
Denn wissenschaftliche Mitarbeiter*innen sind in Deutschland in den allermeisten Fällen befristet eingestellt. Die Stellen hängen oft von bewilligten Projekten und Fördergeldern ab. Und die sind zeitlich begrenzt.
Hinzu kommt, dass die Befristung selbst befristet ist. Qua Gesetz, dem Wissenschaftszeitgesetz. Das heißt: Von Promotionsbeginn an, muss ein*e Wissenschaftler*in innerhalb von zwölf Jahren eine unbefristete Stelle finden. Das klingt lange, im Unibetrieb ist es das aber nicht, sagen Forschende. Denn in dieser Zeit geht es darum, sich zu profilieren, einen Namen zu machen, bestenfalls zu habilitieren, also die Voraussetzung für eine mögliche Professur zu schaffen. Entweder man schafft das oder ergattert doch eine der seltenen unbefristeten Stellen unterhalb der Professur. Ansonsten ist man raus aus dem Unibetrieb. Für immer.
Die Ampelkoalition will dieses Gesetz nun noch verschärfen: Nur noch zehn statt wie bisher zwölf Jahre Zeit sollen Wissenschaftler*innen haben, um eine unbefristete Stelle zu finden.
"Diese Dauerstellen, das ist so wie die Suche nach dem Bernsteinzimmer. Und natürlich bewerben sich gigantisch viele darauf."
Mona kritisiert, dass die Forschung in Folge der Reform leiden würde. Wissenschaftler*innen würden darauf achten, dass sie mit weniger Zeit auskommen und dann bei Forschung und Lehre Abstriche machen. Darunter würden auch die Studierenden leiden.
Zeitdruck, Überlastung, kaum Planbarkeit
Sven regen alte wie potenziell neue Regelungen auf. Auch er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter und fügt hinzu, dass die Arbeit an der Uni vollen Einsatz verlangt. Wer sich um Familie oder pflegebedürftige Angehörige kümmern muss, hat es besonders schwer. Denn der Druck, zu publizieren, Tagungen zu organisieren, kurz in der Wissenschaft hervorzustechen, ist groß. Das bedeutet auch am Abend oder Wochenende zu arbeiten, obwohl viele Stellen nicht mal Vollzeitstellen sind.
Die hohe Arbeitsbelastung und die schlechten Rahmenbedingungen haben auch gesundheitliche Folgen für Menschen in der Wissenschaft. Das zeigt eine Befragung von PostdocNet, einer Interessenvertretung der Postdoktorandinnen und -doktoranden der Max-Planck-Gesellschaft (MPG). Die befragten Postdocs, also Menschen, die erfolgreich promoviert sind, waren im Schnitt 35 Jahre alt. Mehr als jede*r Fünfte von ihnen zeigte Anzeichen einer mittelschweren bis schweren klinischen Depression. Das sind fast dreimal so viele wie sonst in dieser Altersgruppe.
"Ich glaube, wir sind das einzige System, das Menschen über lange Zeit mit viel Arbeit, Energie und hohen Kosten ausbildet und sie dann systematisch auf die Straße setzt."
Nicht nur auf Grundlage dieser Ergebnisse fordert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft GEW gesündere und bessere Arbeitsbedingungen. Dafür brauche es mehr Dauerstellen und vor allem statt eines Wissenschaftszeitgesetzes ein Wissenschaftsentfristungskonzept. Das allerdings ist ein hehres, geradezu utopisches Ziel.
Mona hofft zunächst, dass die umstrittene Gesetzesreform so doch nicht durchs Parlament geht. Denn die bisherige Vorgabe würde ihr zumindest zwei Jahre mehr Zeit verschaffen. Anderenfalls wird der Druck noch größer, das zu erreichen, worauf sie seit Jahren hinarbeitet: auf Dauer in der Wissenschaft zu bleiben.