TippenZehnfingersystem lernen: Es ist nie zu spät
Fast jede und jeder schreibt regelmäßig auf Tastaturen: E-Mails, Hausarbeiten, Browser-Suchanfragen, aber längst nicht alle beherrschen das Zehnfingersystem. Dabei könnten wir damit Zeit sparen und Fehler vermeiden. Juliane Neubauer, hat getestet, ob sie mit über 30 noch die offizielle Tipptechnik lernen kann.
Juliane Neubauer hat beschlossen – auch mit über 30 – noch das Zehnfingersystem zu lernen. Sie will das gerne können, so wie ihre Bürokollegin Finni, deren Finger mühelos und schnell über die Tastatur gleiten. Finni hat Computerschreiben in der vierten Klasse in der Schule gelernt. Juliane leider nicht.
Mit ihrem Plan wendet Juliane sich an Marlis Posselt. Die pensionierte Deutschlehrerin beherrscht die Tastatur seit 60 Jahren – früher natürlich noch auf der Schreibmaschine. Sie bietet in Leipzig seit Jahrzehnten Computerschreibkurse für Kinder und Erwachsene an. Juliane zeigt ihr die individuelle Schreibtechnik, die sie sich angewöhnt hat. Posselt geht davon aus, dass Juliane Schwierigkeiten haben wird, das neue System zu lernen, weil die Stellung der Finger ganz anders sein muss.
Haptische Marker zur besseren Orientierung
Tatsächlich hat Juliane bis zu diesem Zeitpunkt noch nie etwas von der "Grundstellung auf der Tastatur" gehört. Dabei liegen die Finger der rechten und linken Hand so, dass beide Daumen auf der Leertaste ruhen. Und die anderen Finger liegen zwei Reihen weiter oben auf den Buchstabentasten: A, S, D, F und J, K, L, Ö. Zwei davon, das F und das J, haben sogar eine haptische Besonderheit: einen Punkt oder Strich, damit die Finger sich besser orientieren können.
"Die Tasten haben hier eine Erhöhung drauf, manche haben einen Strich, manche haben einen Punkt, und hier fühlt man sich wieder ein."
Die Kinder, die Marlis Posselt unterrichtet, lernen die Tasten innerhalb einer Woche, mit ihnen macht ihr der Kurs besonders viel Spaß. Mit den Erwachsenen läuft es zäher. Studenten bis Rentner sitzen bei ihr und üben das Tippen. Vor allem für Berufstätige ist das Umlernen ein Problem, denn im Arbeitsalltag ist das selbst angeeignete System meist schneller.
"Hopfen und Malz ist nicht verloren, aber Umlernen ist schwieriger als Neulernen. Bei ihnen haben sich schon solche Bahnen im Gehirn festgelegt, wo der Finger hinzugehen hat, und das muss raus und da muss man dagegen ankämpfen."
Auch Juliane verfällt beim Schreiben immer wieder zurück in ihre alte Tipptechnik. Und die ist nicht zwingend langsamer als die Zehn-Finger Technik, sagt Dorothee Wiegand vom Computermagazin ct. Sie beobachtet seit 20 Jahren, wie sich das Schreiben am Computer wandelt: "Man denkt ja oft, dass das Zehnfinger-Schreiben viel schneller ist als solche chaotischen selbst gemachten Verfahren, das ist gar nicht unbedingt der Fall."
Vorteile des Zehnfingersystems
Wissenschaftler aus Helsinki haben herausgefunden, dass man auch mit zwei bis sechs Fingern sehr schnell werden kann. Der große Vorteil am Zehnfinger-Schreiben ist jedoch, dass wir nicht mehr auf die Tastatur schauen müssen, sondern uns auf den Text am Bildschirm oder auf die Vorlage konzentrieren können. Und das wiederum spart Zeit, die wir verlieren, wenn wir beim Schreiben (ständig) auf die Tastatur schauen und den Text anschließend auf dem Bildschirm kontrollieren müssen. Tippfehler fallen nicht direkt auf und müssen später extra korrigiert werden.
Dorothee Wiegand empfiehlt die kostenlose Software Tipp10, die man online ohne Installation nutzen kann. Und sie ist überzeugt, dass auch in zehn Jahren noch auf Tastaturen geschrieben wird. Deshalb lohne es sich auf jeden Fall, das richtige Computerschreiben mit Zehnfingersystem zu lernen – vor allem für Studierende, Forschende oder Journalistinnen und Journalisten.