Zahl der Spenderorgane erhöhenDebatte um Organspende nach Herzstillstand
Die FDP schlägt vor, Organspenden auch nach einem Herzkreislaufstillstand zu ermöglichen, um die Zahl von Spenderorganen zu erhöhen. Bisher ist das in Deutschland verboten. Was ist der Unterschied zur Organspende nach "unumkehrbarem Hirntod"? Und wie läuft das in anderen Ländern ab?
Bisher gilt in Deutschland der diagnostizierte "unumkehrbare Hirntod" als Voraussetzung dafür, dass einem Menschen Organe für eine Transplantation entnommen werden dürfen. In vielen europäischen Nachbarländern wie den Niederlanden, Spanien, Schweiz, Österreich und Großbritannien sind Organspenden aber auch nach einem Herzkreislaufstillstand erlaubt.
Der Vorschlag der FDP, das auch in Deutschland so zu machen, hat viel Kritik hervorgerufen. Die Sorge: Bei der Diagnose des Todes nach Herzstillstand könnten Fehler nicht ausgeschlossen werden – möglicherweise würde der Tod zu früh diagnostiziert, wenn noch Chancen bestehen, dass das Herz wieder anfängt zu schlagen.
"Primärer und sekundärer Hirntod"
Transplantationsmediziner Rainer Günther vom Universitätsklinikum Kiel beschäftigt sich auch mit den ethischen Gesichtspunkten dieser Frage. Er sagt, im Grunde gibt es gar nicht so viele Unterschiede zu den Verfahren in den Niederlanden, Spanien, Schweiz, Österreich und Großbritannien. Auch dort sei nämlich der Hirntod entscheidend – der Unterschied: er werde als Folge nach dem Herzkreislauftod betrachtet.
"Auch in den umliegenden Ländern ist der Hirntod der entscheidende Tod – nur dass er nicht als primärer Hirntod, sondern als Folge nach dem Herzkreislauftod bewertet wird."
In der Schweiz zum Beispiel werde eine Organspende nur realisiert, wenn auch der Hirntod nachgewiesen ist – nur eben nicht als "erste Situation" wie etwa bei einem Schlaganfall oder einer Hirnblutung, sondern als sogenannter "sekundärer Hirntod", der auf einen Herzstillstand folgt.
Beispiel: Wenn bei einem chronisch herzkranken Patient, der am Herz behandelt wird und sein Einverständnis gegeben hat, dass er für eine Organspende zur Verfügung steht, irgendwann keine unterstützenden Verfahren mehr möglich sind, um das Herz weiter schlagen zu lassen, dann können die Ärzt*innen – im Konsens mit dem Patienten oder der Patientin – die Apparatemedizin beenden.
Kontrollierte Bedingungen
Unter kontrollierten Bedingungen würde dann so lange abgewartet, bis das Herz nicht mehr schlägt. "Man kann das apparativ untersuchen und dann wartet man wieder", erklärt der Mediziner. "In der Schweiz sind das 10 bis 15 Minuten, bis dann der sichere Hirntod eingetreten ist." Der wird dann wiederum von Spezialisten festgestellt. Dann erst erfolgt die Organentnahme.
"Da gibt es überhaupt kein Risiko, dass da irgendwie ein falscher Tod definiert wird. Sondern es ist immer auch der Hirntod nur als sekundäre Form nach dem Herzkreislauftod."
Ein Risiko einer falschen Diagnose bestehe praktisch nicht, so Rainer Günther. Es handele sich um einen kontrollierten und geplanten Prozess ohne Zeitdruck – immer im Konsens mit den Patienten und deren Familie.
"Widerspruchslösung" bringt nicht mehr Organspenden
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich gegen die Möglichkeit der Organspende nach Herzkreislauftod ausgesprochen. Er hält die deutsche Regelung, nur nach primärem Hirntod zu transplantieren, für das sichere Verfahren, mit dem Fehler ausgeschlossen seien. Er setzt auf die Widerspruchslösung, um die Zahlen der Organspenden zu erhöhen.
Widerspruchslösung bedeutet: Jede hirntote Person, die zu Lebzeiten keinen ausdrücklichen Widerspruch erklärt hat, gilt als mögliche Organspenderin. In Deutschland gilt die Zustimmungsregelung, das heißt, man muss ausdrücklich äußern, dass man seine Organe im Falle eines Hirntodes spenden möchte.
"Klar kann man sagen, die Widerspruchslösung wäre prinzipiell ein Konzept", sagt Rainer Günther. Doch wissenschaftliche Untersuchungen würden zeigen, dass die Widerspruchslösung allein nicht zu mehr Organspenden geführt hat in Ländern, die sie eingeführt haben.
Die Einführung der Möglichkeit, auch die Organe von Menschen nach Herzkreislauftod zu nutzen, hat in vielen Ländern dagegen zu deutlich mehr Spenden geführt - auch weil es mehr Menschen, die auf diese Weise sterben, als Fälle von primärem Hirntod.
Die in der Schweiz praktizierte Umsetzung hält Rainer Günther auch in Deutschland grundsätzlich für möglich und einfach zu realisieren. Dass wir alle als Gesellschaft uns jetzt dieser Diskussion stellen, findet er wichtig. Am Ende müsse man dann schauen, ob unsere Gesellschaft dafür bereit sei, dieses Konzept umzusetzen.
Mehr Infos zum Thema Organspende findet ihr hier.