ArbeitssuchtWorkaholic – wenn Arbeit alles andere im Leben verdrängt
Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung sind 33 Prozent der Bevölkerung Workaholics. Die Entgrenzung unserer Arbeit kann Arbeitssucht begünstigen. Deshalb hält Diplompsychologe Markus Väth klare Grenzen von außen für wichtig.
Diplompsychologe und Autor Markus Väth sagt, dass wir uns selbst immer wieder Grenzen setzen müssen. Zum Beispiel könnten Berufstätige sich morgens sagen, dass sie an dem Tag zum Beispiel nur bis 15 Uhr arbeiten. Das Problem dabei: die Digitalisierung. Früher waren wir nicht mehr erreichbar, wenn wir den Arbeitsplatz verlassen haben. Smartphones und mobile Computer haben das geändert. Die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit wird immer komplizierter.
"Es ist nicht mehr so wie früher, wo uns die Technologie oder die Institution uns eine Grenze gesetzt hat. Früher war man bis 17 Uhr im Büro per Telefon erreichbar. Jetzt entgrenzt sich die Arbeit total."
Menschen leiden – kommen aber nicht davon los
Um uns vom Job ohne Grenzen zu befreien, brauche es Intuitionen wie den Betriebsrat. "Der Betriebsrat kann dann zum Beispiel sagen: 'Pass auf, wir machen eine Betriebsvereinbarung, mit der du eine Grenze hast, die du nicht selber steuern und kontrollieren musst", sagt Markus Väth. Gerade bei Arbeitssüchtigen funktioniere eine selbst gesetzte Grenze oft nicht.
Ab wann ein*e Betroffene*r arbeitssüchtig ist, lasse sich nicht eindeutig sagen, denn "grundsätzlich gibt es Menschen, die gerne viel oder lang arbeiten." Das ist nicht bei jedem so. Manche ließen es auch gern ruhiger angehen im Job, sagt Markus Väth. "Ich schaue immer darauf, ob es der Person dabei gut geht oder ob sie leidet. Da sollte man ehrlich zu sich selbst sein. Das zweite ist, dass sich Menschen unter einer Arbeitssucht ändern, weil es neben der Arbeit einfach keine anderen Interessen mehr gibt."
Alarmiert sollten wir sein, wenn jemand aus unserem Umfeld – dem wir vertrauen – sagt, dass etwas passiert, das nicht gut ist. Die vertraute Person könnte uns signalisieren, dass wir ausschließlich über den Job reden – ohne dass wir Kraft aus der Arbeit ziehen. Markus Väth: "Das Verrückte ist ja, dass die Leute selber unter der Arbeitslast leiden – aber nicht davon loskommen."
"Wir sollten alarmiert sein, wenn jemand aus unserem Umfeld sagt: 'Mensch, guck mal, da passiert gerade etwas, das ich wahrnehme. Auch wenn du das nicht wahrnimmst.'"
Das Thema Arbeitssucht sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen, sagt Psychologe Markus Väth. "Man sollte nicht einfach sagen, dass jemand aktuell ein bisschen Stress hat oder eine schwierige Phase." Es sei eine Sucht wie jede andere auch. Die betroffenen Menschen litten, kämen aber nicht davon los.
Hilfe muss immer von außen kommen
Nicht immer merken Außenstehende den Betroffenen die Arbeitssucht an, weil es viele gebe, die nach außen lange die Fassade aufrecht halten könnten. Bei denen komme der Zusammenbruch dann meist von jetzt auf gleich. "Das sind die Burn-out-Fälle, die es ganz lange schaffen, die Fassade aufrecht zu erhalten, obwohl es ihnen immer schlechter geht – bis der Körper sagt: 'Ich mag nicht mehr, ich kipp jetzt weg'", beschreibt der Psychologe die Symptome dieser Sucht.
Markus Väth zufolge könne eine Therapie helfen, wenn wir rechtzeitig merken, dass etwas in unserem Verhältnis zur Arbeit nicht stimmt. "Wenn jemand den Verdacht bei sich hat, dass er arbeitssüchtig ist, dass er dann ein Hilfeangebot wahrnimmt und beispielsweise zum Hausarzt geht oder auf der Arbeit mit einer Vertrauensperson spricht, weil man es in der Regel nicht alleine schafft." Für das erfolgreiche Behandeln einer Arbeitssucht sei es wichtig, dass Impulse von außen kommen, sagt Psychologe Markus Väth.