Pflegerin Isabell WäßHohe Mieten vertreiben Arbeitnehmer
In Großstädten wie Köln oder München sind die Mieten für Menschen mit geringem Einkommen zu hoch. Wenn sie wegziehen, bleiben ihre Arbeitsplätze unbesetzt. Pflegerin Isabell Wäß stellt die Frage: Vergraulen Großstädte ihre Fachkräfte?
Isabell Wäß hat in München mit einer ungewöhnlichen Aktion viel Aufmerksamkeit bekommen: Weil sie sich die Mieten in der Großstadt nicht leisten kann, hat sie einen Brandbrief geschrieben, in dem sie ihr berufliches Know How anbietet - im Gegenzug bittet sie um Mietminderung.
Mieten schlucken komplettes Gehalt
Die Mutter von zwei kleinen Kindern beginnt den Brief mit einer Beschreibung ihrer persönlichen Situation. Als vierköpfige Familie reichen die 60 Quadratmeter in vierten Stock ohne Lift einfach nicht mehr aus, schreibt sie. Vier Zimmer bräuchte ihre Familie schon - aber für Durchschnitts-Warmmieten zwischen 1600 und 1800 Euro würde fast das komplette Gehalt ihres Mannes draufgehen.
Fachkräfte wandern ab
In ihrem Kollegenkreis erlebt Isabell Wäß immer häufiger, dass Pfleger und Pflegerinnen in kleinere Städte ziehen, wo die Mieten günstiger sind. Berufliche Probleme bekommen sie dadurch nicht, denn überall wird Personal gesucht, sagt sie. Inzwischen denken auch Isabell Wäß und ihr Mann darüber nach, aus München weg zu ziehen.
"Wir finden eigentlich überall einen Job. Das ist super in der Pflege. Wir sind nicht von München als Arbeitgeber abhängig."
Wenn künftig alle Arbeitnehmer in München mit vergleichbarem Lohnniveau aus der Stadt wegziehen und auch woanders arbeiten, wer arbeitet dann noch in München? Genau mit dieser Frage richtet sich Isabell Wäß in ihrem Brandbrief an die Politik. Als letzten Versuch schaltet sie aber noch eine Anzeige, in der sie ihr berufliches Know How als Gegenleistung für Mietminderung anbietet:
"Krankenpflege-Ehepaar sucht bezahlbaren Wohnraum und wäre dafür ggf. Ansprechpartner bei alltäglichen Pflegeproblemen im häuslichen Bereich."
Auf die Anzeige "Know How gegen Mietminderung" hat bisher noch keiner reagiert, sagt Isabell Wäß. Aber sie habe Jobangebote bekommen. Trotzdem hofft sie immer noch, den Spieß umzudrehen. Isabell Wäß erkennt in ihrer Branche die Tendenz, dass Fachkräfte wegen hoher Mieten aus der Großstadt abwandern und Jobs nicht besetzt werden können. Dies sei ihre Verhandlungsmacht, sagt sie und ergänzt: "München, deine Basis bröckelt."
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