PersönlichkeitsstudieEin Blick in die Psyche von Wladimir Putin
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine fragt sich die Welt: Was hat Russlands Präsident vor? Der Facharzt für Psychosomatische Medizin, Stephan Herpertz, hat sich hingegen die Frage gestellt, warum Wladimir Putin zu dem geworden ist, was er ist.
Er sei ein Gassenjunge gewesen, der mit seinen Freunden und Stöcken in der Hand Ratten vertrieben hätte. So beschreibt der russische Präsident Wladimir Putin vor über zwanzig Jahren noch seine Kindheit und Jugend. In seiner Biografie "Aus erster Hand: Gespräche mit Wladimir Putin" spricht er über Jahre, die ihn geprägt haben.
Als die Biografie im Jahr 2000 erschienen ist, hatte Wladimir Putin kurzer vorher das Amt des russischen Präsidenten nach dem Rücktritt von Boris Jelzin zum ersten Mal übernommen. Seitdem sitzt er – bis auf eine Pause zwischen 2008 und 2012 – an oberster Stelle der russischen Regierung.
Nach eigenen Aussagen hat Wladimir Putin einmal geglaubt, eine besonders große Ratte könne ihm nicht mehr entkommen. Als er sich schon als Sieger gefühlt hatte, stand die Ratte plötzlich wieder auf und ging auf ihn los. Am Ende – so Wladimir Putin – soll er aber gewonnen haben.
"Einmal entdeckte ich eine riesige Ratte und begann mit der Verfolgung, bis ich sie in die Enge getrieben hatte."
Wer ist Wladimir Putin?
Stephan Herpertz hat die ärztliche Leitung in der Klinik für psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Bochum. Er hat sich nach Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine intensiv mit der Biografie von Wladimir Putin beschäftigt.
Warum sind Menschen gut oder böse? Warum ist Wladimir Putin zu dem geworden, was er ist. Was hat er erlebt? Was hat ihn geprägt? Was waren sogenannte protektive, was pathogene Einflüsse in seiner Entwicklung? Dem geht der Facharzt für Psychosomatische Medizin nach.
Unabhängig davon, wie viel tatsächlich von den Erzählungen Wladimir Putins stimmt, verweist Stephan Herpertz auf die Schlüsse, die er aus seiner Kindheit und Jugend gezogen habe: Man müsse in Gefahrensituationen angespannt sein, um angemessen reagieren zu können. Sich aufbäumen, wenn der andere damit rechnet, man hätte aufgegeben. Verlieren komme nicht infrage.
Stephan Herpertz ist Direktor der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bochum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe. Jedes Jahr richtet die Klinik ein wissenschaftliches Symposium aus, das 2022 vom 16. bis 17. September stattgefunden hat. Das Leitthema diesmal lautete "Diesseits von Gut und Böse". Innerhalb der Tagung hielt Herpertz seinen Vortrag zu "Bad or Evil - Die beiden Seiten des Bösen" und befasste sich darin mit Russlands Präsidenten und der Entwicklung seines Landes.