UnternehmenWirtschaftskrise – Die Stunde der Start-ups?
Einerseits schwächelt die deutsche Wirtschaft, bei den Zahlen zu Start-up-Gründungen sieht es besser aus. Für viele Start-ups ist die Wirtschaftskrise nämlich vor allem eins – eine Chance. Wobei in Deutschland hier immer noch Luft nach oben ist.
Im vergangenen Jahr sind so viele Firmen in Deutschland pleitegegangen wie seit etwa zehn Jahren nicht mehr. Zuletzt hatte der Autobauer Ford angekündigt, bis 2027 etwa 3.000 Arbeitsplätze in seinem Kölner Werk zu streichen. Gleichzeitig meldet der Start-up Verband ein erfolgreiches Jahr mit vielen Neugründungen.
"Krisenzeiten sind auch Gründungszeiten. Wo alte Unternehmen verschwinden, Branchen transformieren, werden neue Lösungen gesucht."
Krisenzeiten sind auch Gründungszeiten, meint unser Wirtschaftskorrespondent Gregor Lischka. Wo alte Unternehmen verschwinden und Branchen sich transformieren, entstünden Marktlücken und Bedarf für neue Lösungen. Junge, innovative Unternehmen nutzen diese Chancen. Im letzten Jahr wurden über 2.500 Start-ups gegründet – ein Plus von etwa elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Firmen-Insolvenzen überwiegen Neugründungen
Von einem Start-up-Boom kann man in Deutschland aber nicht sprechen, da die Gründungszahlen im internationalen Vergleich niedrig sind. Von einer weit verbreiteten Start-up-Kultur, wie in den USA oder Frankreich, ist Deutschland noch entfernt. Und dem Anstieg neu gegründeter Start-ups stehen etwa zehnmal so viele Firmen-Insolvenzen gegenüber.
"Insolvenzen großer Firmen verursachen oft höhere Schäden – etwa durch unbeglichene Aufträge, Dominoeffekte in der Zuliefererkette und den Verlust zahlreicher Arbeitsplätze."
Die meisten Insolvenzen betreffen kleine Unternehmen, die sich übernommen haben. Im letzten Jahr ist aber auch der Anteil großer Unternehmen, die pleite gingen, stark gestiegen. Das ist problematisch, meint Gregor, da Insolvenzen großer Firmen oft höhere Schäden verursachen und es zu Dominoeffekten kommen kann: unbezahlte Aufträge, Verluste bei Zulieferern und daraus resultierende Probleme in der gesamten Kette. Dies bedrohe dann viele Arbeitsplätze. 2023 waren rund 300.000 Jobs betroffen, ein deutlicher Anstieg gegenüber 200.000 im Vorjahr.
Kernbereiche der deutschen Wirtschaft leiden
Von Insolvenzen stark betroffen ist die Industrie oder das Baugewerbe, da gestiegene Material- und Personalkosten sowie hohe Zinsen das Bauen und Finanzieren erheblich verteuern. Handel und Logistik leiden ebenfalls, da Verbraucher sparen und Energiekosten steigen. Auch Einzelhändler, Online-Händler und Speditionen verzeichnen erhebliche Schwierigkeiten.
Start-up als Innovationstreiber
Maurice Morabel aus Berlin ist Mitgründer eines Start-ups, das Speditionen mit Software-Lösungen hilft, den Lkw-Transport zu optimieren und Routen besser zu planen. Fachkräfte sollen entlastet, Treibstoff und Geld gespart werden. Außerdem sollen Unternehmen umweltfreundlicher und wettbewerbsfähiger werden. Maurice sieht die aktuelle Zeit als ideal für Start-ups, da gesellschaftliche Herausforderungen wie Klimawandel, Inflation und Fachkräftemangel nach neuen Lösungen verlangen. Wer diese Bereiche adressiert, habe gute Chancen für eine erfolgreiche Gründung.
"Klimawandel oder Kostendruck durch Inflation, Fachkräftemangel – wenn man da als Unternehmen eins oder mehrere Teile abdeckt, kann man sicherlich den Start in die Unternehmensgründung wagen."
Maurice hat sich bewusst für die Gründung eines Start-ups entschieden, weil er der Meinung ist, dass kleinere Unternehmen, trotz dem geringeren Kapitals oft die Innovationstreiber sind. Ein klassisches Unternehmen, so vermutet er, hätte ihm nicht die Möglichkeit gegeben, neue Ideen anzuschieben. Zudem möchte er eine Arbeit, die ihn begeistert, damit er sich nicht extra motivieren muss, um morgens aufzustehen.
Start-ups, besonders im Tech- und Softwarebereich, haben stark zugelegt, da neue Lösungen für steigende Energiekosten und komplexe Herausforderungen gefragt sind. Sie profitieren von der Nachfrage nach innovativen Softwarelösungen. Allerdings sind sie auch auf Investitionen und Kunden großer Unternehmen angewiesen, weshalb es riskant wäre zu behaupten, dass sie allgemein von der Wirtschaftskrise profitieren, meint unser Wirtschaftskorrespondent.
"Es gibt viele junge Menschen, die mit den Faktoren Forschungs- und Firmenlandschaft und einer guten Ausbildung, gut darin sind, neue Dinge zu entwickeln."
Die Gründung eines Start-ups in Deutschland ist grundsätzlich gut möglich, da es hier einige vorteilhafte Bedingungen gibt: Deutschland bietet zum Beispiel eine exzellente und breit aufgestellte Forschungslandschaft mit vielen Universitäten und Hochschulen. Städte wie Heidelberg rücken neben Berlin und München in den Fokus. Zudem gibt es einen starken Mittelstand, der bereit ist, in Start-ups zu investieren. Hinzu kommen viele gut ausgebildete, talentierte junge Menschen, die neue Ideen entwickeln können.
Wirtschaftskrise bleibt bestehen
Die steigende Zahl an Start-up-Gründungen kann die zunehmenden Insolvenzen in Deutschland nicht ausgleichen, die Wirtschaft kriselt weiter, meint Gregor. Besonders in der Industrie – mit gut bezahlten Jobs und hoher Wertschöpfung – gibt es viele Insolvenzen und zu wenige Neugründungen, um dies zu kompensieren. Auch wenn die politische Lage sich verbessern und die Politik die Notwendigkeit von Veränderungen erkennen würde, bleiben die Aussichten unsicher, so Gregor Lischka.