RezessionWirtschaftlicher Abschwung und die Folgen für uns
Schlechte, oder besser gesagt, noch schlechtere Zeiten stehen uns bevor, so Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der uns in diesen Tagen auf die Rezession vorbereiten will. Wie Inflation, Krieg und Pandemie zusammenhängen, erklärt Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven.
Die deutsche Wirtschaft schrumpft. Die Bundesregierung erwartet in ihrer Herbstprojektion einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 0,4 Prozent für 2023.
Dieser wirtschaftliche Rückgang hat viele Ursachen: Er ist eine Folge der Coronavirus-Pandemie, des russischen Kriegs in der Ukraine und der enormen Preissteigerungen (Inflation) bei Energie und Nahrungsmitteln. All das kommt zu den ohnehin hohen Mieten in Deutschland noch dazu, zählt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven auf.
"All das, was man zum Leben dringend benötigt, kostet jetzt einfach viel mehr Geld."
Aber nicht nur wir, auch die Unternehmen ächzen unter der Inflation. Rohstoffe werden teurer und dadurch schrumpfen die Gewinne. Hinzu kommt große Unsicherheit über die Energielage und die gestörten Lieferketten.
Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft hat auch die schwache Wirtschaftslage in China, ein wichtiger Handelspartner Deutschlands. Und der schwache Euro verteuert Importe. "Da kommt im Augenblick vieles zusammen", sagt Nicolas Lieven.
Geringere Wirtschaftsleistung, Druck auf den Arbeitsmarkt
Diese Prognose bezieht sich erst einmal auf die Gesamtwirtschaft. Aber es werde Branchen geben, warnt Nicolas Lieven, die dieser Rückgang viel härter treffen werden. Das sei jetzt schon in der Baubranche oder bei Industriebetrieben zu sehen. Im Einzelhandel werde sich das ebenfalls zeigen, weil die Menschen wegen der hohen Inflation weniger kaufen werden.
"Das Minus in einzelnen Bereichen kann viel höher sein."
Langfristig werde sich der wirtschaftliche Rückgang auch auf den Arbeitsmarkt auswirken. Zwar fehlen Arbeitskräfte, aber es gibt bereits in den USA Unternehmen, die Stellenstreichungen angekündigt haben, darunter Intel, Meta (Facebook) und Amazon, berichtet Nicolas Lieven.
Auch in Deutschland haben Unternehmen angekündigt, dass sie Kosten sparen oder senken und womöglich auch nicht investieren wollen. Denn wenn weniger gekauft, gebaut oder produziert wird, werden sich insgesamt die Unternehmen darauf einstellen und vielleicht Personal entlassen.
Rückgang von Steuereinnahmen
Diese Entwicklung wird am Ende auch der Staat zu spüren bekommen, wenn die Steuereinnahmen zurückgehen, weil Unternehmen weniger Gewinne machen und Arbeitnehmende weniger Lohnsteuer zahlen. "Dann ist weniger Geld da für Leistungen, die bezahlt werden müssen", erklärt Nicolas Lieven.
"Meine Oma hat immer gesagt: Gegessen und getrunken wird immer."
Tatsächlich gebe es aber in der aktuellen Lage auch Unternehmen, die profitieren. Das seien diejenigen, die gebraucht werden oder eben die Dinge anbieten, die knapp sind. "Lebensmittelkonzerne pressen gerade sehr hohe Preise durch", so der Wirtschaftsjournalist. Auch die Unternehmen, die jetzt schon die Kosten senken, würden sich in Stellung bringen, um gut durch die Krise zu kommen.
Krisenprofiteure in der Lebensmittelbranche und auf den Finanzmärkten
Auf den Finanzmärkten sehe man ebenfalls Profiteure, die trotz der Krise in Aktienmärkte oder Immobilien investieren könnten. "Aber wer kann schon zehn oder fünfzehn Jahre warten und auf Geld verzichten, bis es wieder nach oben geht", fragt Nicolas Lieven. Das könnten nur jene, die ohnehin viel Vermögen anhäufen.
Eine vergleichbare Wirtschaftskrise, wie wir sie derzeit erleben, hätten wir noch nie gehabt. "Weil wir nie Krieg, Pandemie und Inflation auf einmal hatten", sagt Nicolas Lieven. Zwar kennen wir eine ganze Reihe von Rezessionen: 70er Jahre, Anfang der 80er, 90er Jahre, 2002, 2008/09 mit der Finanzkrise.
Der große Unterschied zu diesen wirtschaftlichen Abschwüngen sei aber, dass sie immer durch einen einzigen Faktor bedingt waren: eine Inflation, eine Ölkrise, eine Immobilienblase. "So komplex wie jetzt hatten wir es noch nie."
Zusammenspiel von Maßnahmen zur Krisenbewältigung notwendig
Deshalb gibt es auch nicht die eine Maßnahme, mit der wir aus dieser Krise wieder herauskommen "und das macht die Lage im Augenblick so wahnsinnig schwierig", meint Nicolas Lieven.
Tatsächlich treffe diese Krise Deutschland mehr als andere Länder, "weil kein anderes Land so von russischem Gas abhängig gewesen ist wie Deutschland". Hinzu komme die schwache Konjunktur in China, der schwache Euro und der Rückgang der Globalisierung.
Auch wenn die Aussichten recht düster klingen: "Rezessionen gehören zur Wirtschaft dazu, das hatten wir schon öfter", meint Nicolas Lieven. Möglicherweise werde es drei bis vier Quartale dauern, bis es nach oben gehe.
Dafür sei wichtig, die Inflation zu bekämpfen, daran würden die Notenbanken arbeiten. Aber vieles sei eben noch unklar mit Blick auf den Krieg und die Energiepreise. "Wir brauchen einen langen Atem, aber wir kommen da wieder raus."