WirtschaftWarum nachhaltiger Kapitalismus nicht funktioniert
Kapitalismus schafft prekäre Arbeitsbedingungen und zerstört die Umwelt, sagen Kapitalismuskritiker. Eine Alternative könnten faire und nachhaltige Produkte sein. Doch die sind und bleiben ein Nischenphänomen, sagt der Wirtschaftssoziologe Sascha Münnich.
Laut einer Umfrage von 2020 sind mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland der Meinung, dass der Kapitalismus mehr schadet als nützt. In anderen europäischen Ländern sieht es ähnlich aus. Kapitalismuskritik ist also weit verbreitet. Unser Wirtschaftssystem verfügt jedoch über die Fähigkeit, die Kritik für sich zu nutzen.
"Der Kapitalismus hat die Fähigkeit entwickelt, Kritik waren- und marktförmig zu beantworten, zu umarmen und für die Erschließung neuer Akkumulationsformen nutzbar zu machen."
"Das Wirtschaftssystem nimmt seine Umwelt immer als einen potenziellen Markt wahr", erklärt der Wirtschaftssoziologe Sasch Münnich. Kritik sei somit nicht mehr als ein veränderter Qualitätsanspruch, ein bisher unbefriedigtes Bedürfnis, das dadurch und insoweit relevant werde, wie es mit Zahlungsbereitschaft ausgestattet sei. "Die eigene Kritik im Markt selbst verarbeitet zu sehen, wird so zum zentralen Privileg der bessergestellten Beschäftigten und vermögenden Konsumentinnen im globalen Kapitalismus", sagt Sascha Münnich.
Faire Produkte bleiben Randerscheinung
Fairer Kaffee und ein Bio-Sortiment in den Supermärkten sind Antworten des Marktes auf die Kapitalismuskritik. Die Beschäftigten und Konsumentinnen nachhaltiger Produkte sehen sich als Pioniere einer verallgemeinerbaren Form des Arbeitens und Konsumierens, so der Wirtschaftssoziologe. Sie hoffen, der grüne Teil der Wirtschaft setzt sich irgendwann durch.
"Die Zahl von Kapitalismuskritikern ist sehr hoch unter den Gewinnern des globalen Kapitalismus."
Doch auch, wenn wir gefühlt mittlerweile überall fairen Kaffee bekommen, der Marktanteil von fair gehandeltem Kaffee in Deutschland liegt gerade einmal bei 5,6 Prozent. Das liegt daran, dass der nachhaltige Teil unseres Wirtschaftssystems auf den normalen Kapitalismus mit seinen prekären Arbeitsbedingungen und Dumpingpreisen angewiesen ist, sagt Sascha Münich - und erklärt das in seinem Vortrag.
Sascha Münnich ist Wirtschaftssoziologe an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Am 13. Juni 2023 hat er seine Antrittsvorlesung mit dem Titel "Der selbstkritische Kapitalismus. Gesellschaftskritik und Markt in der Wirtschaftssoziologie" gehalten.
Unser Bild oben zeigt eine kapitalismuskritische Demo in Berlin 2011.