Olympische SpieleWie uns Tricks von Profisportlern bei Nervosität helfen können
Musik hören, ein Gebet sprechen, Glücksbringer mitnehmen: Um sich mental für große Prüfungen zu wappnen, gibt es viele Rituale. Für den Sport gibt es aber eine Anspannung, in der wir optimal funktionieren.
Schwimmerin Angelina Köhler fokussiert sich vor Wettkämpfen – wie bei den Olympischen Spielen – mit Musik. Sie verriet, dass sie eine bekennende Swiftie ist. Bei der Weltmeisterschaft in Doha (Katar) wärmte sie sich mit Swifts Song "Cruel Summer" auf und holte überraschend Gold über 100 Meter Schmetterling.
Bei den Olympischen Spielen von Paris konnte sie der Swift-Sound nicht aufs Podium heben. Eine Gewinn-Garantie ist "Cruel Summer" also nicht. Doch Nervosität kann uns zu guten Leistungen in verschiedenen Bereichen treiben, erklärt Sport- und Gesundheitspsychologe Jens Kleinert von der Deutschen Sporthochschule Köln.
"Nervosität ist mit einer Anspannung des psychophysiologischen Apparats verbunden – also sowohl mit höherer Leistungsfähigkeit, was meine Gedanken, meine Wahrnehmung angeht, als auch mit einer höheren Fähigkeit, die Muskulatur zu aktivieren."
Beides sei mit Nervosität verbunden, so der Experte. Wenn die Nervosität zu stark wird, könne sie die Aufmerksamkeitsprozesse verringern, sagt Jens Kleinert. Das ist ein Problem, denn "wir haben so eine optimale Zone, in der wir optimal funktionieren, was Erregung, Aktivität und Nervosität angeht", erklärt er.
Wie diese perfekte Zone für einzelne Sportler*innen aussieht, sei sehr individuell. "Es gibt nicht eine Formel und es kommt natürlich auch auf die Sportart an", erklärt Jens Kleinert. Sportler*innen haben verschiedene Ansätze, um in diese perfekte Zone zu kommen. Athlet*innen machen zum Beispiel Atemübungen, die sie entweder pushen oder herunterfahren.
Tipps aus Profisport im Alltag anwenden
Wo wir solche Tricks im Alltag gebrauchen können? Zum Beispiel vor dem Einschlafen. Ihr hattet einen stressigen Tag oder vor dem Schlafengehen guckt ihr einen spannenden oder gruseligen Film und seid eigentlich nicht müde? Ihr wisst aber, dass ihr ins Bett solltet, weil der Wecker in ein paar Stunden schon wieder klingelt. Bewusst Atmen kann eine Möglichkeit sein, um zur Ruhe zu kommen.
- Legt euch auf den Rücken, schließt die Augen und legt die Zunge bei geschlossenen Mund an den oberen Gaumen, direkt hinter den Schneidezähnen. Dann atmet hier tief durch die Nase ein und haltet kurz inne, ehe ihr durch den Mund ausatmet.
- Diese Übung wiederholt ihr einige Male, bis ihr ruhiger werdet. Dann sollte es mit dem Einschlafen besser funktionieren.
Manche Sportler*innen finden auch durch Visualisierung in den perfekten Modus für den Wettkampf. Beim Skateboarden können sie die Jumps vorher mit der Hand auf einem Fingerboard üben.
Wettkampf anders wahrnehmen
Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich den Wettkampf als Trainingseinheit vorzustellen, erzählte der deutsche Reiter Michael Jung in einem Interview. "Ich versuche, mir dann immer selber auch einzureden, selbst bei so einem Event: Das ist jetzt ein ganz normales Turnier, mach nichts anders. Und genauso versuche ich an die Sache ranzugehen", sagt Reiter Michael Jung.
Sportpsychologe Jens Kleinert hält diese Methode für wirkungsvoll: "Selbstgespräche sind natürlich eine Methode, um an der eigenen Übererregung zu arbeiten. Wenn man merkt: Ich bin einfach zu aktiviert und vielleicht sogar ein Stück weit ängstlich, oder ich kann mich jetzt nicht mehr richtig konzentrieren, dann sind Selbstgespräche eine Beruhigungstechnik", sagt er.
"Selbstgespräche sind natürlich eine Methode, um an der eigenen Übererregung zu arbeiten."
Solche Selbstgespräche können euch sehr gut vor Tests oder in anderen aufregenden Situationen beruhigen. Bei Michael Jung hat es offensichtlich funktioniert. Der Vielseitigkeitsreiter holte bei Olympia 2024 in Paris Gold.
Doch dass übermäßige Nervosität nicht immer positiv für die Leistung sein muss, sagt auch der Gesundheitspsychologe. Zum Beispiel müssen Turner*innen sehr konzentriert sein, um die Übungen perfekt auszuführen.
"Wenn ich in dem Augenblick zu nervös bin und meine Bewegung nicht mehr richtig koordiniere oder mich nicht mehr konzentrieren kann, dann ist die ganze drei- oder vierjährige Vorbereitung auf die Olympischen Spiele für die Katz."
Ein mentales Blackout kann den Traum also auch leicht zerstören. Bei Teamsportarten ist ein wenig anders. Natürlich können sich Sportler*innen gegenseitig zu Höchstleistungen antreiben. Zu viel Aufregung bei einzelnen Mannschaftsmitgliedern kann sich aber auch auf andere übertragen und zur Lähmung des Spiels führen.
In solchen Fällen ist eine gute Betreuung durch Trainer*innen, Physios, Psycholog*innen oder Kapitäne gefragt. Das lässt sich auch auf das Berufsleben übertragen: Versucht nicht zu viel allein zu arbeiten. Kommt ins Gespräch, gebt euch Feedback und verbringt die Pausen in Gruppen.