Whistleblower-Autobiographie "Permanent record"Edward Snowden: "Ich wollte nie nach Russland"
Seit sechs Jahren lebt der amerikanische Whistleblower Edward Snowden im russischen Exil - alles andere als freiwillig. Jetzt erscheint seine Autobiographie "Permanent record. Meine Geschichte". Im Interview mit dem Deutschlandfunk hat er über seine aktuelle Situation gesprochen.
Edward Snowden gehe es "den Umständen entsprechend ganz okay", berichtet Matthis Dierkes von Deutschlandfunk Nova. Er hat das Interview ausgewertet, das die beiden Deutschlandfunk-Redakteure Stefan Fries und Stefan Koldehoff mit Edward Snowden geführt haben. Als einziger deutschsprachiger Hörfunksender hatte der Deutschlandfunk dazu aktuell die Möglichkeit bekommen.
Der Whistleblower lebt nicht völlig versteckt und permanent bewacht, sondern halbwegs normal in einem Apartment in Moskau. Personenschutz will er nicht, weil er sich von niemandem abhängig machen möchte, wie er sagt.
"I'm in my apartment in Moscow that I rent myself."
In diesem Apartment, einer angemieteten Drei-Zimmer-Wohnung, erzählt Snowden, habe er auch sein Buch "Permanent record. Meine Geschichte" geschrieben, die am 17. September erscheint.
Snowden und die Geheimdienste
Was die Geheimdienste machen, verfolge er intensiv weiter, hat Snowden in dem Interview gesagt. Ihre Arbeit verändere sich ständig. Wie sich verschlüsselte Kommunikation am besten abgreifen lasse, sei aber nach wie vor eines der ganz großen Themen. Konkrete Aussagen über Personen, mit denen er in Kontakt stehe, könne er aber aus Sicherheitsgründen nicht machen.
"I can’t talk about who I am or am not talking to in the United States intelligence services, because that would obviously be tremendously risky for them and their career."
In Russland hat der Whistleblower offenbar noch eine Aufenthaltsgenehmigung bis nächstes Jahr. Damals, zu Beginn der Enthüllungen über die Geheimdienst-Überwachung, floh Edward Snowden nach Hongkong und von dort in ein "Drittland".
Russland gewährte Snowden Asyl
Weil die USA aber zwischenzeitlich seinen Pass annulliert hatten, war er in Moskau gestrandet. Allein im Transitbereich des Moskauer Flughafens hatte er 40 Tage verbracht, bis ihm Russland eine Aufenthaltsgenehmigung erteilte. Im Gespräch hat Edward Snowden klar formuliert: Ich wollte nie in Russland sein, ich bin eindeutig im Exil und möchte woanders hin, am liebsten nach Europa.
"I have been clear from the very first day, that I left Hongkong and was trapped in the airport for 40 days in Russia and applied for asylum in 27 different countries around the world, yes, please, allow me into Europe."
Snowden hat schon mehrfach gesagt, dass er gerne nach Deutschland will. Aber es sieht im Moment nicht danach aus, als würde sich da etwas tun, berichtet Matthis Dierkes. SPD-Vizechef Ralf Stegner hat sich zwar in der "Welt am Sonntag" dafür ausgesprochen, Snowden eine Aufenthaltsgenehmigung in Deutschland zu geben. Und Politiker von Grünen und Linken sehen das ähnlich. Doch CDU und FDP sehen das anders - unter anderem mit dem Argument, dass Snowden von den USA ja nicht politisch verfolgt werde, sondern strafrechtlich. Deshalb gebe es auch keinen Grund, ihm Asyl zu geben.
Abschreckende Wirkung für andere Whistleblower?
Snowden selbst hält das für ein fatales Signal - vor allem für andere Whistleblower oder solche, die vielleicht noch überlegen, ob sie an die Öffentlichkeit gehen sollen. Die EU habe doch extra Regeln zum Schutz von Whistleblowern vereinbart, moniert Snowden. Warum sie jetzt vor einem US-Präsidenten kusche, der die EU als Feind betrachte, könne er nicht verstehen.
"What kind of example does it send into the world, what kind of an example does it send to the future, when the next whistleblower thinks that the only place where an American dissident can be heard is beyond Europe, is beyond the United States, rather than within it."
Bis die beiden Medienredakteure Stefan Fries und Stefan Koldehoff mit Edward Snowden sprechen konnten, ist viel Zeit vergangen: Die erste Anfrage für ein Interview mit ihm lief im Dezember 2016 über dessen deutschsprachigen Anwalt, berichtet Stefan Fries. Der Anwalt hat dann an die "Freedom for the Press Foundation" weiter verwiesen, eine Stiftung, die sich weltweit für Journalismus einsetzt.
Die Entstehung des Interviews
Von dort sind Fries und sein Kollege aber immer wieder vertröstet worden. Im Zusammenhang mit der Buchveröffentlichung haben beide dann erneut über den Verlag angefragt - und konnten schließlich am 15. September das Interview führen.
"Edward Snowden hat auch ein Interesse daran, das Gespräch zu führen, weil er sein Buch verkaufen will, was ja auch ein legitimes Interesse ist von jemandem, der im Exil sitzt und wenig Möglichkeiten hat, Geld zu verdienen."
Das Interview haben Fries und Koldehoff über eine sichere Video-Chat-App geführt.
"Wir wissen nur, dass er da war. Wir können nicht nachprüfen, wo er wirklich war."
Was unsere eigene Sicherheit bezüglich der Überwachung durch Geheimdienste angeht, hätten sich die Dinge in den letzten sechs Jahren in beide Richtungen verändert, so Snowden im Interview: Einerseits gebe es zwar (noch) mehr Überwachung, andererseits aber inzwischen auch immer mehr Leute, die sich dagegen schützen. Snowden liegen Zahlen vor, die belegen, dass mehr Menschen ihre Kommunikation verschlüsseln.
"Es gibt mehr Menschen, die ihre E-Mails verschlüsseln. Wobei Snowden sagt: E-Mails sollte man überhaupt nicht mehr schreiben."
In der Deutschlandfunk-Sendung @mediasres wird das Gespräch mit Edward Snowden am 16. September 2019 ab 15:35 Uhr zu hören sein. Das Interview ist online abrufbar (mit und ohne Übersetzung) sowie über die Deutschlandradio-Mediathek und die Audiothek.