WetterKipppunkte im Klima
Viele Risiken der Klimakrise wachsen graduell mit einem weiteren Temperaturanstieg. Es gibt aber auch Kipppunkte: Werden diese überschritten, treten unaufhaltsame Prozesse in Gang, deren Folgen nur schwer absehbar sind.
Es gibt nur wenige sichere Vorhersagen in der Klimakrise. Doch gibt es Kipppunkte, deren Eintreten für unaufhaltsame Folgen sorgen würde, etwa wenn die Permafrostböden auftauen, Gletscher geschmolzen sind oder das Eis in der Arktis abbricht.
"Kippunkte im Klima sind wie eine Tasse, die immer näher an die Tischkante rückt: Erst fällt es nicht auf, dass die Tasse immer näher rückt, aber irgendwann ist der Punkt erreicht an dem sie herunterfällt."
Verena Leyendecker ist Wetter-Expertin. Sie erklärt, dass es auch in unserer Atmosphäre kritische Punkte gibt, ab denen eine Rückkehr unmöglich ist. Ein Beispiel ist das Abschmelzen des Grönlandeises: Studien gehen davon aus, dass sich dieser Prozess bei einer Erderwärmung um 1,5 Grad selbst verstärkt.
Schwächere Meereszirkulation könnte für kühle Temperaturen sorgen
Wenn von der Klimakrise die Rede ist, geht es oft um Erderwärmung. Doch die Erderwärmung könnte in bestimmten Regionen sogar zu kühleren Temperaturen führen. Das könnte der Fall sein, wenn die Meereszirkulation des Golfstromes abnimmt.
Der Salzgehalt des Wassers ist ein wichtiger Antrieb des Golfstromes: Erreicht das warme Wasser kühlere Regionen, sinkt es aufgrund seines hohen Salzgehaltes ab und fließt als schweres, sauerstoffreiches Tiefenwasser zum Äquator zurück.
"Wenn mehr Eis abschmilzt, dann verdünnt sich das Meerwasser durch das Süßwasser, das dadurch einfließt. Dadurch wird das Wasser leichter und der Antrieb wird schwächer."
Der Nordatlantikstrom ist ein Teil des Golfstromes und wirkt sich in Nordeuropa wie eine Heizung aus. Deshalb ist es in großen Teilen Nord- und Westeuropas wärmer als aufgrund ihrer geographischen Breite zu erwarten wäre
Wenn aber sehr viel Eis abschmilzt, dringt mehr Süßwasser ins Meerwasser und der Salzgehalt nimmt ab. Das könnte dazu führen, dass der Golfstrom sehr viel schwächer wird und weniger warmes Wasser von Süden nach Norden gelangt. Schätzungen zufolge könnte das in Nordeuropa zu einem Temperaturabfall von zwei bis drei Grad führen.
Viele Folgen noch nicht absehbar
Für Europa könnten außerdem vor allem Veränderungen des Jetstreams zu großen Veränderungen führen. Dieser treibt die Hoch- und Tiefdruckgebiete an. Je nachdem wie sich dieser verändert, könnte es vor allem zu stabileren Wetterlagen über längere Zeiträume kommen, erklärt die Expertin. Doch die genauen Schwellenwerte der Kipppunkte und ihre Folgen lassen sich nicht vorhersagen.
"Es gibt zwar auch positive Kipppunkte, allerdings wirken sich diese nur regional aus."
Neben negativen Kipppunkten, gibt es auch einige wenige positive Kipppunkte. So könnte ein Temperaturanstieg dafür sorgen, dass sich Nadelwälder weiter nördlich ausbreiten – dorthin, wo bisher nichts wächst. Doch solche Phänomene treten nur regional auf und hätten global keine Auswirkungen.