WeltanschauungWeltbilder können Familien spalten
"Deutschland als Staat gibt es eigentlich gar nicht", teilt jemand aus eurer Familie. Dazu kommen andere Verschwörungstheorien. Die Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen in Baden-Württemberg bietet Angehörigen wie Betroffenen Hilfe an.
Bei der Zentralen Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen („Zebra“) in Baden-Württemberg rufen vor allem Menschen an, die in irgendeiner Weise Probleme mit Verschwörungserzählungen in ihrem Umfeld haben – wenn also zum Beispiel Eltern, Geschwister oder Freunde Verschwörungsmythen teilen, hat uns Sarah Pohl erzählt. Die Diplompädagogin leitet das Projekt.
Außerdem gebe es sehr sehr viele Anfragen von Menschen, die auf dem Esoterikmarkt Dinge ausprobiert haben oder ausprobieren möchten und sich diesbezüglich eine Einschätzung einholen möchten: Ist das seriös oder nicht seriös? Bezahle ich da vielleicht zu viel? Werde ich da abgezockt? Vielleicht stecken diese Menschen in einer schwierigen Gruppierung drin und planen den Ausstieg – oder sie sind bereits ausgestiegen und brauchen Hilfe.
Esoterikerfahrungen und Verschwörungserzählungen
Es geht aber nicht nur um die Sorgen, die man sich um die Lieblingsmenschen in seinem Umfeld macht – das seien etwa drei Viertel der Fälle. Sondern auch um die, die man sich vielleicht um sich selbst macht – wenn man zum Beispiel das Gefühl hat, in eine bestimmte Richtung abzudriften.
"Am häufigsten rufen uns Menschen an, die in Sorge sind. Drei Viertel aller Anrufer sind Angehörige, aber immerhin ein Viertel sind Betroffene selber."
In Deutschland besteht Religions- und Meinungsfreiheit, jede und jeder kann also eigentlich erst mal relativ frei machen, was sie oder er möchte. Ob eine Glaubensgemeinschaft oder eine bestimmte Weltanschauung problematisch ist bzw. werden kann, hängt von zwei Seiten ab, sagt Sarah Pohl – vom Konsumierenden und vom Anbieter.
Pauschal vor bestimmten Anbietern warnen müsse die Beratungsstelle selten, so Sarah Pohl. Es komme ein Stück weit immer auch darauf an, mit welchen Fragen, Anliegen und Wünschen sich jemand zum Beispiel an einen spirituellen Coach oder einen Guru wendet.
"Man kann pauschal nur bei sehr wenigen Angeboten sagen: Ja, das ist gefährlich und ganz, ganz furchtbar."
Die Zentrale Beratungsstelle für Weltanschauungsfragen veröffentlicht auch Checklisten. Bereits an ein paar Kriterien lasse sich erkennen, ob ein Angebot unseriös ist.
- wenn stark mit Manipulation gearbeitet wird
- wenn schnell Abhängigkeiten entstehen
- wenn die Preisgestaltung unseriös ist
- bei Immunisierungsstrategien, also wenn etwa gesagt wird: Wenn es wirkt, dann liegt das an mir – und wenn es nicht wirkt, dann liegt das daran, dass du nicht gut genug mitgearbeitet hast, dass du energetisch blockiert bist
"Der Erfolg geht auf die Kappe des Anbieters, der Misserfolg wird dagegen dem Konsumenten zugeschrieben. Daran erkennen wir schnell einen unseriösen Anbieter."
Weil auf dem Weltanschauungsmarkt sehr viel Betrieb ist, bekomme Zebra-BW fast täglich Anfragen zu neuen Gruppierungen oder Angeboten, die den Fachleuten noch gar nicht bekannt sind, so Sarah Pohl. Sie kämen gar nicht hinterher, alles zu jederzeit im Blick zu behalten. Eine gründliche Recherche brauche ausreichend Zeit.
Sehr viele Kleinanbieter
Noch vor 30, 40 Jahren habe es vor allem die Sekten gegeben, also große Gruppierungen, von denen man gelesen und gehört hatte. Heute seien es dagegen vor allem ganz viele Kleinanbieter, die wie Pilze aus dem Boden schießen und an allen möglichen Stellen Angebote machen. Manchmal sind sie so schnell wieder verschwunden, wie sie aufgetaucht sind, so Sarah Pohl. Manchmal hielten sie sich aber auch länger.
"Vor 30, 40 Jahren gab es noch die sogenannten Sekten, die große Gruppierungen. Heutzutage sind es vor allem ganz, ganz viele Kleinanbieter, die wie Pilze aus dem Boden schießen."
Wenn man in der eigenen Familie oder im Freundeskreis einen Fall beobachtet, gibt es jetzt kein "Generalrezept", so die Expertin. Denn jeder Konflikt habe eine eigene Geschichte und ganz individuelle Ursachen. Eine sehr gute Strategie sei aber zu versuchen, die Bedürfnisse des Menschen zu verstehen anstatt den Menschen von vorneherein zu verurteilen, rät Sarah Pohl. Einer der Flyer bietet "Erste-Hilfe-Maßnahmen" für Angehörige - unterteilt in verschiedene Risikofaktoren wie etwa Sozialkontrolle, Bildungs- oder Demokratiefeindlichkeit.