Emotionen und BerufVor den Kollegen weinen
Offen vor den Kollegen zu weinen, ist für viele immer noch ein No-Go. Die eigenen Gefühle nicht zu unterdrücken, kann euch aber auch voranbringen.
Die meisten von uns wollen gemocht, respektiert und ernst genommen werden. Tief in uns steckt die Sorge, dass es uns als Schwäche ausgelegt werden könnte, wenn wir auf der Arbeit zu viele Gefühle zeigen oder gar weinen. Wer möchte schon riskieren, dass die Kolleginnen und Kollegen sich lustig machen, insbesondere, wenn sie das hinter unserem Rücken tun.
Oder es könnte auch passieren, dass wir als emotional instabil oder nicht ausreichend belastungsfähig wirken. Diesen Eindruck möchte niemand vor dem Chef oder Chefin und den Mitarbeitenden hinterlassen.
"Das war tatsächlich auch für mich ein total schönes Erlebnis, mal jemand anderen - einen Kollegen von mir - weinen zu sehen und zu sehen, dass das hier möglich ist, und das ist gut so."
Evolutionär gesehen sei Weinen sehr wichtig, sagt die Psychologin Bettina Löhr aus Bergheim. Denn schon Kinder weinten, das signalisiert für die Eltern, dass etwas nicht ganz in Ordnung ist, und verschaffe Aufmerksamkeit. Es sei für die Umwelt also ein wichtiges Signal hinzuschauen, wenn jemand weine. Und das könne teilweise sogar Überleben sichern.
Arbeit verlassen, Pause zum Weinen nehmen
Weinen kann aber auch als Kommunikationsmittel dienen, beispielsweise um die eigenen Grenzen aufzuzeigen. Um darauf aufmerksam zu machen, dass sich möglicherweise etwas ändern muss.
Folglich kann es auch ein gutes Zeichen sein, wenn wir merken, dass uns auf der Arbeit die Tränen kommen. Der Düsseldorfer Psychologe Peter Krumbach sagt, dass es auch der Sozialhygiene dienen kann. Denn dass wir unseren Gefühlen freien Lauf lassen, kann auch befreiend wirken.
"Ich glaube, das hat sich auch über die Generation massiv verändert. Das habe ich auch miterlebt in den 25 Jahren, wo ich berate."
Wer kellnert oder an der Kasse steht, will aber nicht unbedingt vor Kundschaft weinen, wenn ihm oder ihr die Tränen hochkommen. Psychologin Bettina Löhr empfiehlt für solche Situationen, sich selbst die Erlaubnis zu geben, für ein paar Minuten zu weinen.
Dafür kann man sich auch kurz der Arbeitssituation entziehen und auf die Toilette gehen oder nach draußen. Manchen hilft es, wenn für kurze Zeit alle Dämme brechen und sie die Tränen herauslassen könnten. Oft ist es dann einfacher, sich wieder auf die Arbeit zu konzentrieren, wenn man sich für ein paar Minuten eine Auszeit gönnt.
"Ich weine tatsächlich eher an Orten, wo ich innerlich spüre, dass es dort geht. Wo ich sehr viel Distanz spüre und sehr viel Unpersönliches, kommen mir einfach nicht so die Tränen."
Wenn die Tränen in einer Situation kommen, in der es komplett unpassend ist, kann mit ein paar Tricks auch versuchen, das Weinen auf einen späteren Zeitpunkt hinauszuzögern. Manchmal hilft es, einen Schluck Wasser zu trinken oder das Fenster weit aufzumachen.
Auch bewusstes Atmen kann uns helfen, den emotionalen Stress für einen kurzen Moment hinter uns zu lassen, rät die Psychologin Bettina Löhr. Dafür atmen wir tief durch die Nase ein und lassen bei leicht zusammengepressten Lippen lange den Atem heraus. Das wiederholen wir ein paar Mal - und oft hilft das schon über den Impuls, direkt los zu weinen.