Mobilitätsforscher zum Infektionsschutz"Tests oder Masken sollten für Treffen verpflichtend sein"
Seit Anbeginn der Pandemie stehen private Treffen in Verruf. Das lasse sich auch wissenschaftlich begründen, sagt Mobilitätsforscher Kai Nagel. Doch auch in Büros und Schulen gebe es ein Ansteckungsrisiko. Um das zu minimieren, seien mehr Maßnahmen und nicht Verbote und Schließungen die Lösung.
Die Ansage zu Ostern lautet generell zu Hause bleiben und Kontakte vermeiden. Bye, bye Familienfest, höchstens zwei Haushalte mit bis zu fünf erwachsenen Personen dürfen an den bevorstehenden Feiertagen zusammenkommen. Die Hoffnung der Politik: so die dritte Corona-Welle einzudämmen.
"Private Treffen sollten nach draußen verlegt werden, oder aber man sollte die ganze Woche Schnelltests machen."
Wo Menschen zusammenkommen, verbreitet sich das Virus
Tatsächlich würden so kurzzeitige Kontaktbeschränkungen und zeitweise Schließungen, wie sie über Ostern zunächst geplant (23. März 2021) und dann wieder zurückgenommen wurden (24. März 2021), dazu beitragen, das Infektionsgeschehen zu minimieren, weiß Kai Nagel, Professor und Fachgebietsleiter am Institut für Land- und Seeverkehr der Technischen Universität Berlin.
"Wenn wir jetzt die Infektionszahlen unter Kontrolle kriegen wollen, müssen wir mehr hinkriegen als im Januar, denn jetzt kommen die neuen Mutationen dazu, die deutlich ansteckender sind."
Gemeinsam mit seinem Team simuliert er Bewegungsmuster von Menschen und berechnet die Auswirkungen – normalerweise für den Bereich der Mobilitätsforschung. "In den Modellen berücksichtigen wir auch, wann sich Menschen begegnen", erklärt der Wissenschaftler. Seit dem Ausbruch der Pandemie versuchen die Forschenden die Ausbreitung des Virus mithilfe von Modellen nachzuvollziehen. Für die Berechnungen wird berücksichtigt: Mit Abstand und Mundschutz sinkt das Risiko. Um das Ansteckungsrisiko zu berechnen, werden all diese Faktoren unterschiedlich gewichtet, also zum Beispiel, wie viele Menschen sich auf wie vielen Quadratmetern aufhalten.
Ansteckungen nur durch radikale Quarantäne zu verhindern
Die bisherigen Ergebnisse sind laut Kai Nagel eindeutig. Demnach finden die ersten Ansteckungen im eigenen Haushalt statt. "Um zu verhindern, dass infizierte Menschen im eigenen Haushalt anstecken, müsste man Infizierte in sogenannte Quarantänehotels unterbringen, das ist aber nicht der Fall", sagt er. Weitere Situationen, die das Risiko bergen, sich anzustecken, seien gegenseitige Besuche, Arbeitsplätze und Büros für mehrere Personen. Knapp danach würden Schulen folgen - wenn sie komplett geöffnet wären.
Treffen unter Freunden immer noch zu leichtsinnig
Dass Menschen zur Arbeit gehen und sich darüber hinaus mit Leuten außerhalb des eigenen Haushalts treffen, irritiert Kai Nagel. Wer sich in unregelmäßigen Abständen mit unterschiedlichen Leuten trifft – also heute mit Arbeitskollegen, in ein paar Tagen mit der einen Freundin und eine Woche später mit einem Freund – trägt dazu bei, dass das Virus im Zweifelsfall weitergetragen wird. Nur wenn sich immer dieselben Haushalte treffen, von denen keiner zur Schule oder zur Arbeit geht, sei ein Treffen zu verantworten.
"Eine wichtige Maßnahme wäre keine Treffen ohne Maske oder vorherigen Schnelltest."
Zwar geht Kai Nagel nicht so weit, für ein Verbot von Kontakten außerhalb des eigenen Haushalts zu plädieren, sehr wohl aber für Schutzmaßnahmen bei Treffen in Räumen. Dazu gehören entweder das Tragen einer Maske oder aber vorherige Schnelltests. Und wenn es nach ihm ginge, sollten sie verpflichtend sein. Genauso hatte es in der Präambel zum aktuellen Beschluss (23.03.2021) gestanden. Durchgekommen ist das nicht. Noch nicht. Kai Nagel nennt das selbst, "einen schmalen Grat".
Redaktioneller Hinweis: Wir haben diesen Artikel am 25. März 2021 aktualisiert.