WahlrechtEine Volksvertretung ohne Frauen ist nicht demokratisch
Im Bundestag und in den Landesparlamenten sitzen deutlich mehr Männer als Frauen. Das ist verfassungswidrig, argumentiert die Rechtswissenschaftlerin Silke Ruth Laskowski in ihrem Vortrag.
Männer und Frauen sind gleichberechtigt. So steht es im Grundgesetz. Die Wirklichkeit aber sieht anders aus, gerade wenn es um politische Repräsentation geht. Der Frauenanteil im Bundestag liegt nur bei etwa 36 Prozent. Rechtswissenschaftlerin Silke Ruth Laskowski sagt, das sei nicht verfassungsgemäß.
"Wir leben in verfassungswidrigen Zuständen."
Silke Ruth Laskowski ist Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Kassel. In ihrem Vortrag begründet sie, warum eine nicht gleichberechtigte Repräsentation von Frauen und Männern in den Parlamenten nicht mit unserer demokratischen Ordnung vereinbar ist.
Die rechtliche Gleichheit der Geschlechter steht im Grundgesetz
Silke Ruth Laskowski erklärt, wie der Gleichberechtigungsgrundsatz historisch in das Grundgesetz gekommen ist. Sie zeigt zudem die Gründe auf, warum wir auch heute noch keine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen bei der Repräsentation in den gewählten Parlamenten haben. Und das trotz der in der Verfassung verankerten Gleichheitssätze.
"Kernproblem ist die fehlende Chancengleichheit von Kandidatinnen im Nominierungsverfahren der politischen Parteien."
Die Hauptursache, so Silke Ruth Laskowski, liegt in den parteiinternen Nominierungsprozessen. Denn viele Parteien setzen von vornherein deutlich weniger Frauen als Männer auf ihre Wahllisten. Der Prozess der Nominierung von Kandidat*innen aber ist parteiintern. Die allgemeine Bevölkerung hat darauf keinen Einfluss. Es gibt keine Gesetze, dass Parteien gleich viele Männer und Frauen zur Wahl stellen müssten.
"Demokratie bedeutet Vertretung des gesamten Volkes. Das heißt, die männliche Hälfte und die weibliche. Das heißt, von Volksvertretung zu sprechen ohne die Frauen ist keine Volksvertretung und auch keine Demokratie."
Die Gründe, warum innerhalb der Parteien mehr Männer als Frauen aufgestellt werden, sind vielfältig: Frauen verfügen zum Beispiel über weniger Privatvermögen. Die Parteien in vielen Bundesländern verlangen aber von den Mitgliedern, die sie aufstellen, dass sie ihren Wahlkampf aus privaten Geldmitteln finanzieren. Eine Hürde, die für viele Frauen zu hoch ist.
"Dieses Recht auf Chancengleichheit, das in Verbindung mit dem passiven Wahlrecht Frauen und Männern gleichermaßen zusteht, das wird in Bezug auf Frauen missachtet."
Silke Ruth Laskowski sagt, weil es keine Chancengleichheit beim passiven Wahlrecht gibt, haben wir es mit einem Verfassungsverstoß zu tun. In ihrem Vortrag macht Silke Ruth Laskowski einen Vorschlag, wie gleichberechtigte Repräsentation gelingen könnte: Egal wie viele Männer und Frauen die Parteien auf ihre Wahllisten schreiben, ins Parlament einziehen dürfen immer nur gleich viele Männer und Frauen.
Das Wahlrecht, argumentiert sie, sollte dahingehend geändert werden. Das sei völlig verfassungskonform und würde dazu führen, dass der im Grundgesetz festgelegte Gleichheitsgrundsatz zwischen Männern und Frauen verwirklicht würde, zumindest wenn es um die Repräsentanz gewählter Volksvertreter*innen geht.
Silke Ruth Laskowski ist Professorin für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Europarecht an der Universität Kassel. Ihr Vortrag hat den Titel "Paritätisches Wahlrecht und demokratische Wahlen - ein Widerspruch?" Sie hat ihn am 15. Mai 2024 an der Freien Universität Berlin gehalten im Rahmen der interdisziplinären Vorlesungsreihe "It's representation, stupid?! Das Gleichheitsversprechen in modernen politischen Demokratien". Organisiert wird die Reihe von der Arbeitsstelle für Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland an der FU Berlin.