Kevin Kühnert und die Wahlniederlage"Der Wischi-Waschi-Kurs wird nicht belohnt"
Zum niederschmetternden Wahlergebnis bei der Bundestagswahl legt die SPD jetzt eine niederschmetternde Analyse vor. Darüber haben wir mit dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert gesprochen. Er wirkt optimistisch.
Bei der Bundestagswahl 2017 erreichte die SPD 20,5 Prozent der abgegeben Stimmen. Das schlechteste Wahlergebnis der Partei bei einer Bundestagswahl seit 1949. Unmittelbar nach dieser Wahlniederlage beauftragte die Partei fünf weitgehend unabhängige Autoren mit der Analyse: die Politikberaterin Jana Faus, den Journalisten Horand Knaup, den Berater, ehemaligen politischen Beamten und SPD-Parteimitglied Michael Rüter, Yvonne Schroth von der Forschungsgruppe Wahlen und den Politikberater Frank Stauss.
Ein Wahlkampf ohne Markenkern
Das Ergebnis ihrer Arbeit stellte der SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil am 11. Juni der Öffentlichkeit vor. Das Papier heißt: Aus Fehlern lernen - eine Analyse der Bundestagswahl 2017 (PDF).
Auf 107 Seiten beschreiben die Autoren die Probleme der Sozialdemokratischen Partei. Ihr Urteil ist stellenweise sehr deutlich. Wir haben mit dem Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert über die Analyse des verlorenen Wahlkampfs 2017 und über die Lage in der Partei gesprochen. Er hält die Kritik der Autoren für begründet und ist grundsätzlich der Ansicht, dass Wähler klare Haltungen und Positionen honorieren.
"Der für mich wichtigste Punkt war die Aussage, dass ein Wischi-Waschi-Kurs, einer der versucht, es allen recht zu machen, dass der nicht belohnt wird. Wer versucht, es allen recht zu machen, wird es am Ende niemandem recht machen."
In einem Zwischenfazit in dem SPD-Papier heißt es zu dieser Frage, die SPD sei im Wahlkampf ihrem Markenkern soziale Gerechtigkeit hinterhergerannt, ohne diesen inhaltlich mit einem modernen und sozialpolitisch lebensweltlich relevanten Programm zu untermauern.
Im Gespräch nennt Kevin Kühnert: Steuergerechtigkeit, ein zuverlässiges staatliches Rentensystem, kostenfreien Zugang zu Bildung auf allen Ebenen und eine wirkliche Gleichstellung von Männern und Frauen.
Sigmar Gabriel als Parteiproblem
In der schriftlichen Analyse heißt es: Selbst, wenn ein klares Programm mit Markenkern vorhanden gewesen wäre, hätte ein langfristiger Plan gefehlt, um die Wahlberechtigten dafür zu gewinnen. Die Autoren weisen nach, dass der SPD 2017 und 2013 eine Wahlkampfstrategie fehlte. Stattdessen seien ständig ad-hoc-Kampagnen gestartet worden.
Das SPD-Papier geht insbesondere mit dem ehemaligen Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel hart ins Gericht. Er habe sein faktisches Erstzugriffsrecht auf die Kanzlerkandidatur zwei Mal missbraucht, die gesamte Partei zur Geisel seiner Launen, Selbstzweifel und taktischen Manöver gemacht. So habe Sigmar Gabriel der Partei die Möglichkeit genommen, den Wahlkampf langfristiger vorzubereiten.
"Wir bemängeln nicht, was unsere Probleme sind. Jetzt ist die große Aufgabe, die richtigen politischen Schlüsse daraus zu ziehen."
Immer wieder erwähnen die Autoren des Papiers grundsätzliche organisatorische Fehler und Widerstand gegen gemeinsames Arbeiten innerhalb der Parteiadministration. Eine Zusammenarbeit zwischen Newsdesk, Pressestelle und Kommunikation habe es nicht gegeben.
Eine frühe journalistische Beschreibung des Zustands der SPD, die bereits im September 2017 vorlag, lieferte die Reportage "Mannomannomann" von Markus Feldenkirchen. Auch der Spiegel-Journalist beschrieb bereits die Probleme mit Sigmar Gabriel, organisatorische und strategische Fehler des SPD-Wahlkampfs. Das nun vorliegende SPD-Papier zur Bundestagswahl betrachtet einen größeren Zeitraum, geht zugleich weiter ins Detail und belegt die vielfältigen Defizite.
"Als Partei kann man es sich niemals erlauben, in den Standby-Modus zu wechseln und nur noch Tagesgeschäft zu machen."
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