WahlrechtWarum wählen mit 16 eine gute Idee sein könnte
In manchen Bundesländern dürfen 16- und 17-Jährige ihre kommunalen Parlamente mitwählen. In anderen auch ihre Landtage. In fünf weiteren Bundesländern gilt: Gewählt wird erst mit 18. Beim Wahlalter ist Deutschland ein Flickenteppich, analysiert Politikwissenschaftler Arndt Leininger.
Wer in Brandenburg wahlberechtigt ist, darf mit 16 bei der Landtagswahl an die Urne. Wer zum 8. Oktober 2023 in Hessen oder Bayern noch nicht volljährig ist, bleibt dort von den Landtagswahlen ausgeschlossen. Im Sommer 2024 dürfen deutschlandweit alle 16- und 17-Jährigen an der Wahl des Europaparlamentes teilnehmen. Junge Menschen in Sachsen werden allerdings, nachdem sie ihre Stimme zur Europawahl abgeben durften, erleben dann, dass ihre Stimme bei den Wahlen zum sächsischen Landtag im Herbst 2024 nicht gefragt ist. Dann gilt wieder Wahlalter 18. Klingt kompliziert. Ist es auch.
"Wir haben sechs Bundesländer, die das Wahlalter 16 für Kommunal- und Landtagswahlen kennen, weitere fünf kennen das Wahlalter 16 für Kommunalwahlen."
Sind 17-Jährige in Mecklenburg-Vorpommern, die dort ihre kommunalen Parlamente und den Landtag mitwählen dürfen, politisch besser gebildet oder interessierter oder gar mündiger als Teenager in Rheinland-Pfalz? Vermutlich nicht.
"Beim Wahlalter ist Deutschland ein Flickenteppich."
Arndt Leininger hat zusammen mit einem Kollegen untersucht, was sich empirisch rausfinden lässt über das Interesse junger Menschen an Politik. Ein Befund: Die Unterschiede zwischen jungen Menschen dies- und jenseits der Volljährigkeit sind übersichtlich. Allerdings hat es für Jugendliche, die sich selbst als "Unterschicht" definieren, Nachteile bei der politischen Teilhabe, wenn sie erst mit 18 wählen dürfen.
"Das Wahlalter 16 steht im Koalitionsvertrag."
Die amtierende Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag "Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit" den Willen bekundet, das Wahlalter für die Bundestagswahlen abzusenken: "Wir wollen das Grundgesetz ändern, um das aktive Wahlalter für die Wahl zum Deutschen Bundestag auf 16 Jahre zu senken." Allerdings fehlt ihr die dazu erforderliche 2/3-Mehrheit im Parlament.
Die Tatsache, dass junge Menschen bei der Europawahl im Sommer 2024 mitwählen dürfen, kurz darauf bei den Landtagswahlen in Sachsen wiederum nicht, könnte für Verwirrung oder auch Frustration sorgen, meint der Forscher.
"Wir geben jungen Menschen das Wahlrecht, viele werden es auch wahrnehmen. Dann müssen sie feststellen, dass wir ihnen das Wahlrecht 'wieder wegnehmen'."
Arndt Leininger hat an der Technischen Universität Chemnitz die Juniorprofessur "Politikwissenschaftliche Forschungsmethoden" inne. Am 6. Februar 2023 hat er den Vortrag mit dem Titel "Wählen ab 16 – Empirische Perspektiven zur Debatte um die Absenkung des Wahlalters" dort als seine Antrittsvorlesung gehalten.