Vorsicht, Spotlight-Effekt!Ihr seid nicht der Mittelpunkt der Welt

Das Gefühl, dass die Aufmerksamkeit aller auf einen selbst gerichtet ist, kann ganz schön unangenehm sein. Spotlight-Effekt nennt sich dieses Phänomen, und es kann echte Nachteile für euch haben. Aber ihr könnt auch was dagegen tun.

Mist, verhaspelt... wie peinlich! Und ALLE gucken mich an und denken, ich bin total doof! – Kennt ihr dieses Gefühl? Gute Nachricht: Egal ob Versprecher, Pickel auf der Nase oder Petersilie zwischen den Zähnen – die anderen nehmen so etwas viel weniger wahr als ihr denkt!

Spotlight-Effekt heißt das, wenn ihr euch so fühlt. Und tatsächlich ist das ein sehr bekanntes Denkphänomen, sagt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Der Mechanismus: Wir nehmen uns als Mittelpunkt der Welt wahr und von dieser Mitte her beurteilen wir die Welt um uns herum.

Das Gehirn braucht Bezugsgrößen

Klingt nach lupenreiner Egozentrik – aber dafür könnt ihr gar nichts, jedenfalls teils. Denn dieses Denken hat seinen Ursprung auch in der Art, wie unser Gehirn funktioniert. Das braucht nämlich eine Bezugsgröße zum Begreifen von Dingen, und die sucht es sich eben. Heißt: Wenn wir Dinge wahrnehmen, dann vergleichen wir sie automatisch immer mit schon Bekanntem – wir müssen alles in Relation setzen.

"Eigentlich gibt es im Denken nichts Absolutes, sondern nur Relatives."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Und es gibt eine Bezugsgröße, die haben wir nun mal immer und überall dabei, erklärt Henning: uns selbst! Bedeutet: Alles, was um uns herum passiert, gleichen wir mit uns selbst oder der Vorstellung von uns selbst ab.

Bei minimalen Abweichungen (etwa dem besagten Pickel auf der Nase) gibt das Gehirn das Signal: "Vorsicht, Abweichung!" Und dieser Alarm führt dann zu dem Gefühl, alle Blicke sind auf euch gerichtet – obwohl das gar nicht der Fall ist.

"Das ist im Prinzip eine Denkverzerrung, in Wirklichkeit passiert das gar nicht."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Dieses Denkmuster, dieses sich in die Mitte stellen, das wirkt sich nicht nur auf unser Fühlen aus, sondern beeinflusst auch unser konkretes Handeln, sagt Henning. Und zwar auch zu unserem Nachteil. Es kann nämlich zu Übersprungshandlungen, Überreaktionen, selbsterfüllenden Prophezeiungen und mehr führen, erklärt er.

Nachteile durch Spotlight-Effekt

Ein Beispiel: Wegen des Spotlight-Effekts fallen wir eher auf sogenannte stereotype Bedrohungen rein, so der Neurowissenschaftler. Mädchen etwa können in Mathe-Tests schlechter abschneiden als Jungen, weil man ihnen Dank dieses Denkmusters leichter einreden kann, dass sie schlechter in Mathe sind.

Die – wohlgemerkt falsche – Aussage, dass Mädchen generell schlechter Mathe können, beziehen sie auf sich selbst, trauen sich in der Folge weniger zu – und schwups: sie schneiden auch schlechter ab.

"Jedes Land setzt seine Weltkarte so auf, dass es im Mittelpunkt der Welt steht."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Der Spotlight-Effekt ist übrigens ein sehr gut erforschtes Phänomen, sagt Henning Beck, und findet sich im Denken vieler Kulturen. Das Spannende: Es ist nicht nur ein individueller Effekt, sondern kann auf ganze Länder zutreffen. Wenn Bewohner eines Landes glauben, dass ihre Nation die beste von allen ist, dann hat auch das seinen Ursprung beim einzelnen Menschen mit seinem Gefühl, Mittelpunkt der Welt zu sein, so der Neurowissenschaftler.

"Kluges Verhalten beginnt, wenn du dir klar machst, dass du selbst gar nicht so wichtig bist."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Was also tun? Um den negativen Folgen des Spotlight-Effekts zu entgehen, so Henning, sollten wir uns klar machen: Genauso wenig, wie wir auf jeden Menschen um uns achten, achtet alle Welt auf uns. Genau so wenig, wie wir jeden und jede andere bewerten, bewerten alle uns.

Und wir tun gut daran, auch die Perspektive der anderen einzunehmen und aus deren Augen auf uns zu gucken. Alleine das Wissen darum, dass wir nicht der Mittelpunkt der Welt sind, lässt uns ein bisschen bescheidener aber damit auch ein bisschen klüger durch die Welt gehen, sagt Henning Beck.