Vor BvG-UrteilÜberwachungspraxis des BND vor Gericht
Der Bundesnachrichtendienst sammelt lieber ein bisschen mehr Informationen – auch elektronisch. Jetzt wird vor Gericht geklärt, ob Pressefreiheit und Fernmeldegeheimnis auch für die Kommunikation von Ausländern im Ausland gelten.
Am 19. Mai verkündet das Bundesverfassungsgericht sein Urteil darüber, ob es dem Bundesnachrichtendienst (BND) Grenzen für seine Überwachungspraxis setzt. Es geht um die Fernmelde- und Elektronische Aufklärung der Behörde.
Erst Abgreifen, dann Filtern
Das höchste deutsche Gericht muss klären, inwieweit die Überwachungspraxis der Kommunikation von Ausländern im Ausland mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Gegen das 2017 in Kraft getretene BND-Gesetz – besonders Abschnitt zwei, Paragraf sechs – klagten mehrere ausländische Journalisten und ein Rechtsanwalt mit deutscher Staatsangehörigkeit. Der Kläger ist für ein Menschenrechtsbüro in Guatemala tätig.
Der Journalist Hakan Tanriverdi hat sich in einem größeren Team das Vorgehen des BND genauer angesehen. Allein an dem weltweit größten Datenknotenpunkt De-Cix in Frankfurt am Main kann der BND täglich auf 1,2 Billion Internetverbindungen zugreifen. De facto greife der Auslandsgeheimdienst täglich auf etwa 150.000 Kommunikationen zu, auf deren Grundlage BND-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter täglich rund 260 Berichte verfassen, sagt Hakan Tanriverdi.
Fehlerhafte Filterung
Das Amt wertet Kommunikationen an denen Deutsche beteiligt sind nicht aus. Allerdings würden rund 30 Kommunikationen monatlich vom BND fälschlich als ausländisch identifiziert, obwohl Deutsche daran beteiligt sind, sagt Hakan Tanriverdi.
"An der Stelle werden keine Deutschen überwacht, wenn die Filter funktionieren."
Im für den BND schlechtesten Fall könnte das Gericht entscheiden, dass der Geheimdienst zwischen ausländischer und inländischer Kommunikation technisch nicht trennen kann und deswegen auch in der Auswertung nicht mehr unterscheiden darf, erklärt Hakan Tanriverdi. Dann müsse die Behörde ihre Überwachungspraxis ganz deutlich verändern.
"Das wäre für den BND sehr schwierig, dann noch in der Form, wie sie jetzt agieren, tätig zu sein."
Der BND habe sich zu dem Verfahren in Karlsruhe nicht äußern wollen, berichtet Hakan Tanriverdi. Klar ist, dass der Geheimdienst die Kommunikationsüberwachung nicht verringern möchte. Er gibt an, dass sie für etwa die Hälfte aller Meldungen eine große Rolle spiele. Hakan Tanriverdi: "Und wenn das wegfällt, dann hat der BND ein Problem."
Die Klägerinnen und Kläger machen in Karlsruhe eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses und der Pressefreiheit geltend. Aus ihrer Sicht handelt es sich dabei um Menschenrechte, die auch für Ausländer im Ausland gelten. Die Journalisten sehen durch die Regelungen ihre Arbeits- und Recherchemöglichkeiten gefährdet. Sie befürchten unter anderem, dass sich Informanten aus Angst vor Überwachung nicht mehr mit sensiblen Themen an Reporter wenden.