Voll integriertDie Vorzeigemigranten

Rostock Lichtenhagen: Vor 25 Jahren tobte ein ausländerfeindlicher Mob, der sich auch gegen Vietnamesen gerichtet hat. Viele von ihnen sind trotzdem in Deutschland geblieben. Wir haben Dao Le Minh aus der 2. Generation besucht.

Heute heißt es oft: vietnamesische Einwanderer sind Vorzeigemigranten. Stimmt auch: eine Studie zeigt, dass mehr als 60 Prozent der Kinder von vietnamesischen Einwanderern ein Gymnasium besuchen - 20 Prozent mehr als Jugendliche mit deutschen Wurzeln. 

"Das Abitur habe ich mit 1,1 abgeschlossen. Dass ich studieren werde, war schon vorher klar - ab dem Moment, in dem ich geboren wurde."
Dao Le Minhs Eltern sind als Studenten aus Vietnam nach Deutschland gekommen

Die Gruppe der vietnamesischen Einwanderer ist klein. 125.000 Personen mit vietnamesischer Herkunft sollen in Deutschland leben. In Berlin hat einer von 100 Einwohnern vietnamesische Wurzeln, sie leben vor allem im Osten der Stadt. Die meisten der vietnamesischen Einwanderer waren entweder Vertragsarbeiter in der ehemaligen DDR oder ab den späten 70er Jahren als sogenannte Boat People vor den Kriegsfolgen geflohen. Minhs Vater kam als Gaststudent in die DDR.

Das höchste Gut in Vietnam ist Bildung

In Berlin haben sich Minhs Eltern langsam hochgearbeitet; vom Blumenladen, Imbiss, Restaurants und Marktständen zu Immobilien und Reisebüros. Heute lebt Minhs Familie in einem großzügigen Haus, nicht weit vom Dong Xuan Center entfernt. Im Wohnzimmer steht ein Flügel, in der Garage ein Mercedes. Minh wohnt im Dachgeschoss, hat das Abitur in der Tasche und studiert Medizin.

Lernen, lernen, lernen

Klar war auch, dass Minh ein Musikinstrument lernen sollte. Seine Mutter saß jeden Tag eine halbe Stunde mit ihm am Klavier, um die Zeit zu stoppen. Er hat sich dann oft bei seinen Lehrern ausgeheult, weil er so viel lernen musste. Am Wochenende auch sechs Stunden am Tag. Ist das also ein Grund, warum die vietnamesischen Einwanderer statistisch so viel besser dastehen als andere Gruppen? Bildung ist in Vietnam enorm wichtig, sagt die Erziehungswissenschaftlerin und ehemalige Integrationsbeauftragte des Landes Brandenburg Karin Weiss. 

"Die wurden geradezu in die Selbstständigkeit gedrängt. Sie konnten nur auf Märkten verkaufen. Und dort können sie nur überleben, wenn sie Tag und Nacht arbeiten."
Karin Weiss, Erziehungswissenschaftlerin

Nach der Wende gab es für Vietnamesen kaum Unterstütztung in Deutschland. Für Privates blieb neben der Kindererziehung kaum Zeit. Die erste Generation, also Minhs Eltern, lebte sehr traditionell in geschlossenen vietnamesischen Communities. 

Weg von der Tradition

Er selbst, also die zweite Generation, hat nicht viel zu tun mit der vietnamesischen Tradition. Am ehesten sei er ein Berliner: Hier sieht er seine Zukunft, mit medizinischem Staatsexamen und Doktortitel, mit eigenen Kindern - und im Vergleich zu seinen Eltern hoffentlich mehr freier Zeit. In den Urlaub geht es dann nach Vietnam.