Giulia Silberberger von "Der Goldene Aluhut"Verschwörungsmythen: "Eine Spirale, aus der man nicht so schnell wieder rauskommt"
Die Diskussion über Verschwörungsmythen ist unglaublich anstrengend – aber umso wichtiger, sagt Giulia Silberberger, die über die Mythen aufklärt. Mit drei Grundsätzen kann ein Dialog auf Augenhöhe entstehen.
Die Tante, die im Familien-Chat Videos von rechten Verschwörungsideologien teilt. Der Kollege, der auf einer Demo gegen die "Meinungsdiktatur" protestiert. Oder auch eine gute Freundin, die sich nicht mehr sicher ist, was denn jetzt wirklich stimmt. Gerade während der Coronavirus-Pandemie häufen sich die Verschwörungsmythen.
Auseinandersetzung über Verschwörungsmythen ist wichtig
Mit nahestehenden Menschen über Verschwörungserzählungen zu diskutieren ist belastend. "Manchmal kommt es einem vor wie ein Kampf gegen Windmühlen", beschreibt es Giulia Silberberger. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin der Aufklärungsorganisation "Der Goldene Aluhut", die nicht nur einen Preis für den Verschwörungsmythos des Jahres verleiht, sondern auch Menschen unterstützt, mit Verschwörungsmythen und Menschen, die daran glauben, umzugehen.
In der Diskussion mit Menschen, die an Verschwörungsideologien glauben, sollte man drei Grundsätze beachten, sagt Giulia: Besonnenheit, Faktencheck und emotionale Abgrenzung.
"Wir müssen respektvoll bleiben, den Dialog suchen, vorbereitet sein auf die Argumente, die uns vorgelegt werden."
Bei der Besonnenheit geht es darum, einen kühlen Kopf zu bewahren "und nicht gleich den Aluhut vom Kopf fliegen zu lassen", so Giulia. Denn mit persönlichen Angriffen oder Beschimpfungen könne man niemanden erreichen.
Der Faktencheck wird von Giulia als "Königsdisziplin" bezeichnet. Um mit der Person auf Augenhöhe zu sein, muss man wissen, wie man Fakten recherchiert, sodass man Aussagen widerlegen kann. Das kann zum Beispiel durch Faktenprüf-Seiten wie etwa dem Tagesschau-Faktenfinder oder Correctiv gelingen.
Man kann aber auch selbst durch die Google-Bilder-Rückwärtssuche überprüfen, wo ein Foto noch erschienen ist oder auf die Inhalte der Seite schauen, die die Person als Quelle angibt. Wenn dort populistische Meinungen verbreitet werden oder Begriffe wie "Meinungsdiktatur" vorkommen, sollte man vorsichtig sein, sagt Giulia.
"Wir müssen uns auf jeden Fall damit auseinandersetzen, was diese Menschen verbreiten, wenn wir sie erreichen wollen."
Es kann aber auch gut sein, dass man mit besonnen Informationen nicht weiterkommt, warnt Giulia: "Dann müssen wir uns vor Augen führen, dass wir mit Menschen zu tun haben, die für Fakten nicht mehr empfänglich sind."
Sie bezeichnet dieses Weltbild auch als "Glaubenskonstrukt", das bestimmtes Unwissen auf emotionale Art und Weise befriedigt. "Es ist eine Spirale, in die man reinrutscht und aus der man so schnell nicht mehr wieder rauskommt", so Giulia.
Verschwörungen basieren auf einem einfachen Weltbild
Dieses Weltbild wird auch von Verschwörungsmythen-Communitys unterstützt, die einem emotionalen Halt geben. Bei Demonstrationen hätten die Leute etwa den Eindruck, "gemeinsam gegen einen imaginären Feind" anzustehen, erklärt Giulia. "Das gibt einem das Gefühl, etwas zu bewirken – in einer Situation des Stillstands."
"Es ist ein festes, abgeschlossenes Weltbild, das auf einfachen Sachen basiert wie Gut und Böse."
Gleichzeitig betont Giulia, dass emotionale Unterstützung bei solchen Auseinandersetzungen sehr wichtig sei – gerade wenn es dabei um nahe Menschen aus der Familie oder aus dem Freundeskreis geht. "Es ist eine Situation, die Familien wirklich auseinanderreißen kann", beschreibt sie. Deshalb ist ein unterstützendes soziales Umfeld wichtig, um sich auch emotional abgrenzen zu können.
"Es ist auch wichtig Kontakt mit Leuten zu haben, die auf der Fakten-Seite stehen", sagt Giulia. Wenn das der Freundeskreis nicht leisten kann, kann man Beratungsstellen aufsuchen – neben dem "Goldenen Aluhut" auch etwa das Projekt "No World Order" von der Amadeu-Antonio-Stiftung.