Veronique Kouchev über Autismus"Jeder Tag ist anstrengend, aber toll!"
Mit 17 Jahren wird bei Veronique Asperger-Autismus diagnostiziert. "Ich habe lange darüber nachgedacht, wieso das bei mir so spät erkannt wurde", sagt sie. Heute sind ihr die Gründe klarer.
"Ich habe ganz lange nach dem Problem gesucht, was mit mir los ist", sagt Veronique. Über Jahre hinweg haben sich in ihrer Kindheit und Jugend dieselben Muster abgespielt: Veronique kommt irgendwie in Gruppen nicht gut zurecht, sie wird gemobbt – und immer mal wieder wird sie auch wütend.
Heute kann sie die Gründe dafür benennen: "In der Schule habe ich immer versucht, mich anzupassen", sagt sie. Dabei seien die vielen Reize und Interaktion manchmal einfach zu viel für sie gewesen. Die Überforderung habe auch dafür gesorgt, dass sie unter anderem aggressiv reagiert habe. Diese Reizüberflutung nennt man auch Overload. Es ist ein bekanntes Phänomen für Menschen mit Autismus.
"Ich hatte immer das Gefühl, niemand versteht mich."
Generell gilt Autismus als Entwicklungsstörung. Menschen mit Autismus verarbeiten die Reize aus der Umwelt anders, ihnen fällt es oft schwer, soziale Kontakte aufzubauen. Mittlerweile werden die unterschiedlichen Ausprägungen nicht mehr so eindeutig unterschieden, es wird eher vom Autismus-Spektrum gesprochen. Das soll verdeutlichen, dass kein Autismus dem anderen gleicht.
Außerdem gehe es darum, nicht so sehr auf Autismus als Krankheit oder Störung zu schauen. Deswegen spricht man auch von Neurodiversität, ein Konzept, dass Autist*innen und andere Menschen umfasst. Menschen ohne Autismus werden dann zum Beispiel als neurotypisch bezeichnet, wobei Veronique den Begriff nicht sonderlich mag und von sich selbst auch als Asperger-Autistin spricht.
"Ich habe manchmal gar nicht gemerkt, dass ich gemobbt worden bin."
Menschen mit dieser Form des Autismus haben dabei häufig eine sehr hohe Intelligenz. Auch bei Veronique wurde eine Hochbegabung festgestellt. "Ich hatte aber Probleme, die Asperger-Autisten haben", sagt sie, "ich wusste nicht, dass ich keine Mimik oder Gestik lesen kann."
Dabei hat Veronique von Anfang an sehr stark kompensiert. Masking nennt man diese Fähigkeit auch, Verhaltensweisen von anderen zu kopieren und so weniger aufzufallen. Erst als eine Familienhelferin Veronique schließlich zu Hause erlebt, wird klar, was Veronique hat. Dabei ist ihr ein Punkt besonders wichtig: "Man hört ja oft, dass Autisten keine Empathie empfinden können. Das ist Quatsch!", sagt sie. Ebenso sei ihr persönlich körperliche Nähe sehr wichtig.
Veronique will nichts verpassen
Mittlerweile hat Veronique eine Ausbildung zur Grafikdesigner absolviert, studiert Kommunikationsdesign und arbeitet als Grafikerin. Sie sagt: "Meine Therapeutin hat gesagt: Ich bin die Autistin unter den Autisten, weil ich mit der Außenwelt kommunizieren will."
"Am besten kann ich abschalten, wenn ich kuschle."
Im Deep Talk spricht Veronique Kouchev mit Sven Preger über ihr Buch "Das Anders gehört zu mir. Mein Leben mit Asperger-Autismus", erschienen bei Eden Books 2022, ihren Asperger-Autismus, was dieser für ihren Alltag bedeutet und warum neurotypische Menschen kugelrunde Dreiecke kennen sollten! Das ganze Gespräch hört ihr, wenn ihr oben auf den Play-Button klickt.