VerhütungWarum bei Männern mehr ginge

Empfängnisverhütung scheint immer noch Frauensache zu sein. Geschlechterforscher Fabian Hennig erklärt, warum das so ist und was sich in dem Bereich für Männer gerade tut. Jannik und Felix erzählen, wie sie verhüten, indem sie ihre Hoden erwärmen.

HINWEIS: Uns ist im Audio ein Fehler unterlaufen. In den ersten O-Tönen hört ihr Jannik und nicht um Fabian, wie wir fälschlicherweise sagen. Wir entschuldigen uns für die Verwechslung.

Pille und Kondom – geht es um das Verhindern einer Schwangerschaft, kommt an diesen Verhütungsmitteln in Deutschland kaum jemand vorbei. Das ergab sowohl eine Studie der Robert Koch-Instituts als auch eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Weiter abgeschlagen als Verhütungsmittel ist die Spirale auf Platz drei, lediglich zehn Prozent nutzen sie. Diaphragma, Sterilisation, Kalendermethode und der Vaginalring werden prozentual kaum genutzt.

Kontrazeption für Männer kommt seit fünfzig Jahren kaum voran

So oder so fällt auf: In deutlich mehr als der Hälfte der Fälle übernehmen die Frauen die Verhütung. Dabei sei Verhütung für den Mann schon seit den 1970er-Jahren Thema, sagt Fabian Hennig, er forscht an der Uni Kiel zu neuen Verhütungsmethoden für Männer.

Nichtsdestotrotz ändert sich nichts. Seit Jahrzehnten sind Männern sind für Männer lediglich zwei Verhütungsmethoden zugelassen: das Kondom und die Vasektomie, also die dauerhafte Sterilisation des Mannes.

Gynäkologie und Frauenbewegung waren wesentlich für die Entwicklung von Verhütungsmethoden

Um das zu verstehen, lohnt sich laut Fabian Hennig ein Blick in die Geschichte. Verhüten im Sinne von dem Verhindern einer Schwangerschaft gehörte in den Bereich der Gynäkologie und der Endokrinologie, also der Hormonforschung.

Beide Forschungszweige entwickelten sich im zwanzigsten Jahrhundert, und von Beginn an sei der weibliche Geschlechtskörper in diesem Kontext vergleichsweise intensiver beforscht worden als der männliche.

"Gesellschaftlich wurde Verhütung als Schwangerschaftsverhütung begriffen, weil Frauen diejenigen sind, die potenziell schwanger werden. Damit fiel Verhütung hauptverantwortlich ihnen zu."
Fabian Hennig, Geschlechterforscher

Darüber hinaus, erklärt Fabian Hennig, seien es Frauen, die unter ungewollten Schwangerschaften leiden. Auch deswegen war es eine Forderung der Frauenbewegung, sichere Verhütungsmittel zu entwickeln und Frauen über die Art der Anwendung, eine Möglichkeit der Mitsprache und der Kontrolle zu ermöglichen. Gerade deswegen war die Pille, die in den 1960er-Jahren auf den Markt kam, so revolutionär.

Verhütungsmethoden für den Mann: vom Gel über die Pille bis zur Körperwärme

Wann weitere Verhütungsmethoden für Männer zugelassen werden, lässt sich nicht sagen. Fabian Hennig berichtet von einem Gel, das auf die Haut aufgetragen wird und die Zeugungsfähigkeit beeinflusst.

Die Forschung für dieses Mittel befinde sich aktuell in der klinischen Phase zwei in den USA. Bevor das Produkt marktreif werden könnte, müssten zum einen Studienergebnisse und zu anderen eine weitere klinische Phase abgewartet werden.

"Die Pille für den Mann ist das kulturelle Symbol für neue männliche Verhütungsmethoden. Deswegen stellt es für viele Wissenschaftler das Ziel der Entwicklung dar."
Fabian Hennig, Geschlechterforscher

Einen ganz anderen Ansatz verfolgt die thermische Verhütung. Die Grundidee bestehe darin, die Temperatur der Hoden systematisch und über längere Zeit zu erhöhen und so die Spermienproduktion zu stoppen. Die Temperatur lasse sich auf unterschiedlichen Wegen erhöhen, erklärt Fabian Hennig.

Verhüten mithilfe der thermischen Methode

Jannik ist einer der wenigen Männer in Deutschland, der diese Methode schon nutzt. Mithilfe eines Silikonrings verlegt er seine Hoden nahe an oder in den Körper, um sie durch die eigene Körperwärme warm zu halten.

Seine Erfahrungen mit dem Ring beschreibt er als sehr gut, auch wenn man sich erst mal an das Tragen des Rings gewöhnen müsse. Felix, der seit zwei Jahren thermisch verhütet, vergleicht das Tragen des Rings anfangs mit dem Tragen einer neuen Brille. Man gewöhne sich schnell daran.

Zugelassen ist die thermische Methode allerdings nicht. Wohl auch deswegen nutzen sie noch sehr wenige Männer. Ein wenig verbreiteter ist sie in Frankreich, wo laut Fabian Hennig immerhin mehrere tausend Männer darauf zurückgreifen. Übrigens: In dieser Folge von Eine Stunde Liebe geht es ganz ausführlich um die thermische Methode als Verhütungsmittel.

"Männer müssen initiativ werden und sich aktiv für neue Verhütungsmethoden einsetzen. Ich bin mir sicher, das würde viel verändern."
Fabian Hennig, Geschlechterforscher

Der Hauptgrund, warum Verhütungsmittel für den Mann immer noch auf sich warten lassen, liege vor allem an fehlenden Investitionen in die Forschung. Eine Möglichkeit, das zu ändern sei, so Fabian Hennig, gesellschaftlichen Druck aufzubauen. Männer sollten sich hier ein Beispiel an der Frauenbewegung nehmen und aktiv neue Verhütungsmethoden einfordern. Wenn das passiert, da ist sich der Geschlechterforscher ziemlich sicher, wird sich die Produktpalette erweitern.