Vergleich von ProtestkulturenDie 68er in Ost und West
Ein "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" sollte es werden - dann beendeten die Truppen des Warschauer Pakts den Prager Frühling gewaltsam. Die Hoffnung auf gesellschaftliche Veränderungen starb. Vorträge von Ingrid Gilcher-Holtey und Detlef Siegfried.
Während die Bestrebungen zur Demokratisierung in der ČSSR im Keim erstickt wurden, gingen die Proteste im Westen weiter: gegen das Establishment und den Vietnamkrieg, für sexuelle Selbstbestimmung und eine neue Diskussionskultur.
Die 68er-Bewegungen in Ost und West unterschieden sich stark
Auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs gab es in den 1960er Jahren Jugend- und Protestbewegungen, aber sie unterschieden sich gewaltig. Um die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten der Bewegungen geht es in diesem Hörsaal.
"Es geht um mehr: um eine neue Sprache, ein neues Denken, ein neues Zuhören. Mit anderen Worten, um neue Formen der Kommunikation und Lebensführung."
Ingrid Gilcher-Holtey vergleicht die Proteste in Prag und Paris. Sie ist Professorin für Geschichte an der Universität Bielefeld. Zu ihren Spezialgebieten gehören die Geschichte der Intellektuellen und der Neuen Sozialen Bewegungen.
"Wir kennen alle 1968 als den Versuch, eine radikale Gegenposition zu finden. Aber die meisten in der Jugendrevolte gehörten zur Gruppe der so genannten "gemäßigten Demokratisierer."
Der Zeithistoriker Detlef Siegfried wirft einen genaueren Blick auf die West-68er. Detlef Siegfried ist Professor für Neuere Deutsche und Europäische Geschichte an der Universität Kopenhagen und hat sich auf Alltags- und Jugendkultur spezialisiert. In seinem Vortrag analysiert er das Verhältnis der politischen Ziele der Protestierenden zu ihren Bemühungen um eine kulturelle Revolution.
Ingrid Gilcher-Holteys Vortrag "Zwischen Prag und Paris – die transnationale 68er Bewegung" und Detlef Siegfrieds Vortrag "Die 'West-68er' wurden am 7. März 2018 in Berlin im Rahmen der Tagung "1968. Eine weltpolitische Zäsur" aufgezeichnet. Veranstaltet wurde diese Tagung von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur zusammen mit dem Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Tom Sello, und der Deutschen Gesellschaft e.V..
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