VerfassungsrechtKrisen und Routine auch vor Gericht
Die Verfassungsrichter in Karlsruhe gelten als "Hüter der Demokratie". Susanne Baer ist eine von denen, die die rote Robe tragen dürfen. Die Richterin erzählt aus ihrem Alltag.
Finanzkrise, Reproduktionskrise, Krise des Sozialstaats - überall Krisen. Krisen erschüttern unsere Routinen. In solchen Fällen werden gerne die Verfassungsichter in Karlsruhe angerufen, sie sollen Paukenschläge setzen, Schlussstriche ziehen und den Berliner Politikern ein Stoppzeichen vor die Nase pflanzen. So was liest man über sich, wenn man als Richterin oder Richter am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe die Ehre hat, die rote Robe zu tragen und Recht zu sprechen.
"Recht taucht überhaupt nur auf, wo ein Regelungsbedarf thematisiert wird. Es entsteht also erst in Reaktion auf Krisen. Es ist die Antithese zur Krise."
Seit 2011 darf das auch Susanne Baer. Baer hat eine steile Karriere hinter sich: Mit 38 Jahren wurde sie Professorin. 2011 wurde sie auf Vorschlag der Grünen zur Richterin am Bundesverfassungsgericht gewählt. Eine lesbische, der Genderforschung verhaftete Frau, deren Qualifikation und internationale Erfahrung unbestritten sind.
"Es lässt sich durchaus als Geltungskrise des Rechts beschreiben, wenn Menschen einfach nicht mehr so leben, wie es sich die Rechtsordnung vorstellt.
Susanne Baer hat also eine spannende berufliche Entwicklung genommen – und für ihre Erfahrung als Richterin am Bundesverfassungsgericht interessiert sich nicht nur ihre Zunft, die der Juristen. Denn zum Vortrag eingeladen hatte sie am 9. Oktober 2014 die Deutsche Gesellschaft für Soziologie. Dieser mehrtägige Kongress an der Universität Trier hieß: Routinen der Krisen - Krise der Routinen.
Zwischen Krisen und Routine: Zur Praxis des Verfassungsrechts
Mit beiden Begrifflichkeiten operiert auch Susanne Baer in ihrem Vortrag - die Routine ist das oftmals Unhinterfragte, Tradierte. Die Krise dagegen ist der Moment, der ein Eingreifen erfordert, der eine bestimmte Handlung bedingt, eine Entscheidung. Und so referiert Susanne Baer in ihrem 40minütigen Vortrag unter dem Titel: "Zwischen Krisen und Routine: Zur Praxis des Verfassungsrechts."
"Recht ist der Sicherheitsgurt moderner Gesellschaften. Wenn die Gesetzgebung den Sicherheitsgurt liefert, der in den Krisen der Vollbremsung schützen soll, dann ist das Verfassungsrecht der Airbag, der sich beim Unfall öffnet."
- "Du musst versuchen zu gestalten" | Zeit.de spricht mit Susanne Baer
- Die Richter im Porträt | Süddeutsche.de über die Menschen im Verfassungsgericht