Verbreitung von Hass und FalschmeldungenBundesregierung will Telegram stärker regulieren
Telegram ist das Kommunikationsmittel der Wahl für Verschwörungsanhänger, Coronaleugnerinnen oder rechte Gruppen. Die Bundesregierung hätte gerne mehr Kontrolle über den Messengerdienst, was aber schwierig ist. Vor allem, weil Telegram nicht als soziales Netzwerk gilt.
Wie schon die alte Bundesregierung, muss sich auch die neue mit der Verbreitung von Hass und Falschinformationen in sozialen Netzen beschäftigen. Allzu viel Handhabe hat sie aber nicht, da Messenger keine sozialen Netzwerke im eigentlichen Sinne sind, sondern Apps zum Chatten.
Da ist es für die Politik kompliziert, bestehende Gesetze wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) anzuwenden. Mittlerweile nutzen Telegram – das seinen Firmensitz in Dubai hat – mehr als 500 Millionen Menschen. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dürfte sein, dass Telegram hohen Datenschutz und Sicherheit garantiert.
Da eine zunehmende Radikalisierung einer Telegram Nutzer*innen beobachtet wird, möchte Bundesinnenministerin Nancy Faeser die App in Zukunft stärker gesetzlich reglementieren und unter anderem das NetzDG dafür anwenden. Deutschlandfunk-Nova-Netzautor Andreas Noll erklärt, dass die SPD-Politikerin das Gesetz nicht so leicht bei Telegram anwenden kann, denn das NetzDG gilt ausschließlich für soziale Netzwerke und nicht für Messenger. "Zunächst mal ist Telegram nur ein Messengerdienst", ergänzt Andi.
Wegen der Größe ist Telegram für die Politik kein Messenger
Dass es nun einen deutschen Bußgeldbescheid gegen den Messenger gibt, begründet die Bundesregierung mit der Größe des Dienstes, ordnet unser Netzautor ein.
"Die Bundesregierung ist der Meinung, dass Telegram mehr ist als ein Messengerdienst. Mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern ist es ein soziales Netzwerk und fällt daher doch unter die Vorschriften des NetzDG."
Die Argumentation der Politik ordnet Netzautor Andreas Noll so ein: "Bei Telegram kann man eben nicht nur von Privatperson zu Privatperson schreiben, wie es die meisten User*innen machen. Es gibt auch Gruppen und Kanäle mit bis zu 200.000 Mitgliedern", erklärt er. Die Kanäle könnten theoretisch unendlich viele Menschen abonnieren.
Bußbescheid aus Bonn an Telegram
Aus Sicht des Bundesamtes der Justiz – das Teil des Innenministeriums ist – sei Telegram ein soziales Netzwerk. Deswegen hat das Ministerium in Bonn einen Brief an Telegram versendet, in dem die Behörde forderte, dass der Messenger die Vorgaben des NetzDG umsetzen soll, erklärt unser Netzautor. Das war im April. Da Telegram darauf nicht reagierte, folgte der Bußgeldbescheid aus Deutschland im Juni 2021.
"Bisher hat Telegram nicht auf den Bußgeldbescheid aus Deutschland reagiert."
Laut dem NetzDG müsste Telegram über einen "leicht erkennbaren und unmittelbar erreichbaren Meldeweg für strafbare Inhalte verfügen. Außerdem müsste der Dienst Zustellungsbevollmächtigten für Ersuche von Gerichten aus Deutschland benennen", präzisiert Andi die deutsche Forderung an Telegram.
Twitter und Facebook als Vorbilder
Twitter und Facebook hätten diese Vorrichtungen, sagt unser Netzautor. So können gemeldete strafbare Inhalte schnell aus den Netzwerken gelöscht werden. "So sieht es das Gesetz vor. Nur Telegram macht eben nicht mit. Das will sich die neue Bundesregierung offenbar nicht länger gefallen lassen", meint Andreas Noll.
Allerdings sei nicht klar, wie die Ampel-Koalition Telegram zu diesem Schritt zwingen will. "Telegram ist eine große Blackbox für die Beobachter. Bekannt ist nur, dass die App 2013 von dem Russen Pawel Durow entwickelt wurde", sagt unser Netzautor. Ob die Firma tatsächlich in Dubai ihren Sitz hat, ist nicht eindeutig klar. Andreas ergänzt: "Wo die Firma residiert, ist nicht klar. Es gibt keine vorladungsfähige Anschrift."
Das Entwicklerteam lebt wahrscheinlich in Dubai, nachdem Pawel Durow Russland verlassen hat, vermutet Andreas Noll. "Habhaft konnten deutsche Behörden Telegram bisher nicht werden." Andreas Noll erklärt, dass nun die Innenminister*innen der Länder Telegram Druck machen. Sie thematisieren eine NetzDG-Reform, damit zukünftig auch Messenger-Dienste unter das Gesetz fallen.
Internationaler Druck
Unabhängig von den Bemühungen aus den Bundesländern wolle man den Druck auf die Betreiber des Dienstes erhöhen, unter anderem mithilfe von Behörden in Dubai und der Europäischen Union. "Wenn man Druck auf Telegram ausüben will, kann das eher auf internationaler Ebene gelingen", erklärt unser Netzautor.
Andreas Noll beschreibt, dass Telegram ein wichtiges Kommunikationsmittel für Oppositionelle beispielsweise in Belarus ist.
"Druck auf Telegram ist immer auch ein zweischneidiges Schwert. Denn für Oppositionelle in Syrien und Belarus ist der Messenger ein überlebenswichtiges Tool."
Aufgrund der komplexen Sachlage im Vorgehen mit Telegram, gebe es bislang noch keine Maßnahmen gegen den Dienst, sagte der neue Regierungssprecher. Im Moment steht in Deutschland also nur eine Drohung gegen Telegram im Raum, sagt Andreas Noll.
"In der Politik weiß man nicht, wie man die Drohung umsetzen kann. Theoretisch könnte man die Nutzung des Messengers hierzulande untersagen. Das ließe sich technisch umsetzen, sofern es die Politik so will", so Andreas Noll.