Social Media und JustizIn Venezuela wenden sich Opfer von Kriminalität an Influencer
Venezuela hat ein marodes Justiz-System. Opfer von Kriminalität wenden sich auf ihrer Suche nach Gerechtigkeit deshalb an Influencer. Teilweise mit Erfolg.
Auf das Justizsystem in Venezuela ist kein Verlass. Auf dem Rechtsstaatlichkeitsindex des World Justice Project findet sich das Land auf dem letzten Platz (manche Länder sind aber nicht erfasst). Venezolaner*innen wissen das und wenden sich deswegen auch an Influencerinnen und Influencer, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen; egal, ob es um Korruption, sexuelle Übergriffe oder Kleinkriminalität geht.
"Influencer*innen machen online auf bestimmte Fälle aufmerksam, taggen verantwortliche Staatsanwälte oder die Polizei und versuchen so Druck aufzubauen, dass die Behörden sich der Sache annehmen."
In den vergangenen Jahren haben sich Opfer verschiedenster Verbrechen in Venezuela erfolgreich an solche Crime-Influencer gewandt. Bei den Fällen geht es beispielsweise um Betrug, geschlechtsspezifische Gewalt und Tierquälerei.
Haustiere als Opfer
Die Instagram-Influencerin Gerybeth Silva konzentriert sich beispielsweise auf Verbrechen im Zusammenhang mit Haustieren. Die beiden renommierten Influencer-Journalisten Román Camacho und Vladimir Villegas prangern online Korruptionsfälle an.
"Oft gelingt es den Verbrechens-Opfern im Netz eher Gerechtigkeit zu finden als vor Gericht. Das macht die Verbrechens-Influencer in Venezuela zu einer Online-Macht."
Die Journalistin María Virginia Montiel kämpfte zwei Jahre lang vergeblich mit dem Rechtssystem des Landes. Es ging um den Vorwurf der Vergewaltigung. Der mutmaßliche Täter war ihr langjähriger Chef beim Radio – ein bekannter und gut vernetzter Mann. Als sich der Fall hinzog, ging María Virginia Montiel selbst online.
Öffentlichkeit als Druckmittel
In einem Social-Media-Beitrag zu ihrer Odyssee taggte sie nicht nur den Generalstaatsanwalt und den Leiter der größten nationalen Polizeibehörde des Landes, sondern auch den Crime-Influencer Irrael Gómez. Er hat allein bei Instagram rund 2,6 Millionen Follower und teilt diesen und vergleichbare Fälle auf seinen Plattformen.
Es ist davon auszugehen, dass Irrael Gómez dazu beigetragen hat, Montiels mutmaßliche Vergewaltigung bekannt zu machen. In der Folge begannen auch die Behörden, sich ernsthaft um den Fall zu kümmern. In einem idealtypisch funktionierenden Rechtsstaat würde eine Anzeige des Opfers ausreichen, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.
"Wenn die Justiz marode ist, wie in Venezuela, ist es auch verständlich, dass sich Verbrechensopfer andere Wege suchen."